Killinger Literaturkunde, Schulbuch

25 2 4 6 8 10 12 Dietmar von Aist Slâfest du, friedel ziere? „Slâfest du, friedel ziere? man weckt uns leider schiere: ein vogellîn sô wol getân da  ist der linden an da  zwî gegân.“ „Ich was vil sanfte entslâfen: nu rüefestu kint wâfen: liep âne leit mac niht gesîn. swa  du gebiutst, da  leiste ich, friundîn mîn.“ Diu frouwe begunde weinen. „Du rîtst und lâst mich eine. wenne wilt du wider her zuo mir? owê du füerst mîn fröide sament dir!“ „Schläfst du, lieber Freund? Man weckt uns leider bald. Ein Vöglein so schön, das ist auf der Linde Zweig geflogen.“ „Ich war so sanft eingeschlafen, nun rufst du, Kind, ‚wach auf!‘. Lieb ohne Leid kann nicht sein, Was du gebietest, das tue ich, meine Freundin.“ Die Dame begann zu weinen. „Du reitest von hinnen und läßt mich allein. Wann wirst du wieder zu mir kommen? O weh! Du führst meine Freude mit dir.“ 11. Interpretieren Sie dieses Minnelied: • Kommentieren Sie, welche Themen die jeweiligen Strophen behandeln. • Analysieren Sie, welche Struktur dieses Gedicht aufweist. • Illustrieren Sie, welche besondere Form des Minneliedes hier vorliegt. Einer der bedeutendsten Vertreter der Hohen Minne war Reinmar von Hagenau, der Lehrmeister von Walther von der Vogelweide am Wiener Hof, dessen Lieder in klagenden, schwermütigen Tönen das Leid unerwiderter Minne besingen. Walther lehnte sich bald gegen diese Form des Minnesangs auf. Er stellte dem „trûren“, dem Traurigsein als Grundstimmung des Liebenden, die „vröude“ der wechselseitigen, erfüllten Liebe entgegen (Ebene Minne). Mit diesen Liebesliedern knüpfte er an die Lyrik der Vaganten und an Volkslieder an. Walther von der Vogelweide (1170/75 – 1230): Biographie Walther von der Vogelweide war der bedeutendste deutsche Lyriker des Mittelalters. Er entstammte wahrscheinlich einem Ministerialengeschlecht. Seine Heimat ist nicht genau festzustellen; vermutlich lag sie im österreichischen Donautal. Am Hof der Babenberger in Wien lernte er nach eigener Aussage „singen unde sagen“. Nach dem Tod Herzog Friedrichs II. von Österreich, der 1198 auf einem Kreuzzug starb, musste Walther Wien verlassen und das Wanderleben eines „fahrenden Sängers“ auf sich nehmen. 1203 kehrte er vorübergehend nach Wien zurück. Nach neuerlichen Auseinandersetzungen mit Reinmar und dessen Partei am Wiener Hof muss Walther Wien ein zweites Mal verlassen. Walther war sowohl am Hof der Staufer als auch der Welfen tätig, die beide um die Kaiserkrone konkurrierten. Zeit seines Lebens trachtete Walther nach finanzieller Absicherung, ein Ziel, das er gegen Ende seines Lebens erreichte, als er 1220 ein Lehen (möglicherweise in der Nähe von Würzburg) erhielt. Ebene Minne h6fp37 DAS HOCHMITTELALTER | 1170 – 1230 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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