Killinger Literaturkunde, Schulbuch

238 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 Hugo von Hofmannsthal Ballade des äußeren Lebens (1895) Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen, die von nichts wissen, wachsen auf und sterben, und alle Menschen gehen ihre Wege. Und süße Früchte werden aus den herben und fallen nachts wie tote Vögel nieder und liegen wenig Tage und verderben. Und immer weht der Wind, und immer wieder vernehmen wir und reden viele Worte und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder. Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen, und drohende, und totenhaft verdorrte ... Wozu sind diese aufgebaut? und gleichen einander nie? und sind unzählig viele? Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen? Was frommt 1 das alles uns und diese Spiele, die wir doch groß und ewig einsam sind und wandernd nimmer suchen irgend Ziele? Was frommt’s, dergleichen viel gesehen haben? Und dennoch sagt der viel, der „Abend“ sagt, ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt wie schwerer Honig aus den hohlen Waben. Terzine Die aus dem Italienischen stammende dreizeilige Strophenform der Terzine besteht aus einer theoretisch unbegrenzten Reimverkettung. Das Reimwort der mittleren Zeile wird in der nächsten Strophe wieder aufgenommen, sodass ein strophenübergreifender Kreuzreim entsteht (aba bcb cdc ...). Am Schluss der Terzine steht ein einzelner Vers, der auf die vorletzte Zeile reimt. (Hof- mannsthal hat jedoch die Reimordnung der ersten und der letzten Verse abgeändert.) Jede Zeile besteht aus fünf jambischen Verstakten. Die Terzinenform eignet sich auch als epischer Vers. So hat Dante Alighieri seine Göttliche Komödie in Terzinen geschrieben. 1. Analysieren Sie dieses Gedicht in Bezug auf Inhalt und Form: Inhalt • Erläutern Sie, in welcher Beziehung der Titel zum Sinn des Gedichts steht. • Besprechen Sie, welche ambivalente Grundstimmung ausgedrückt ist. 1 frommen: nützen, helfen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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