Killinger Literaturkunde, Schulbuch

230 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Taumelt aber nur sehr wenig und spricht alles deutlich, nur etwas langsam und schwerfäl- lig. Sagt in sehr guter Laune) : Na?! ... Habt ihr wieder kein Licht, ihr Tausendsakramenter, ihr? ... Hm? ... (Lacht fortwährend leise vor sich hin, nickt mit dem Kopf und macht ein p•f•ges Gesicht, als wenn er eine Überraschung vorhätte. Toni kommt ihm mit der Lampe nach. Setzt sich auf den Sofatisch.) Huaach! ... Ne! Wird man – müde ... wenn man so auf dem Weihnachtsmarkt rumläuft! ... (Lacht und blinzelt Toni zu, die am Sofatisch in seiner Nähe steht.) ... n’ hübscher Baum – hbf! – hä? ... Holt man morgen früh gleich die – hb! – Hütsche 1 vom Boden! – Da! Nimm ihn hin! – (Gibt Toni den Baum; tut scherzhaft, als ob er sie erschrecken wollte. Sie lächelt gezwungen und stellt den Baum beiseite. Er lacht, wendet sich dann zum Tische und fängt an, seine Taschen auszupacken; singt dabei: „Nicht Ross, nicht Reisige 2 ...“ (sich unterbrechend:) Wo sind denn ... die Jungens? TONI: Sie schlafen schon! SELICKE: Wie – hb! – Wie spät is denn – eigentlich? TONI: Zwei. SELICKE (tut sehr erstaunt) : Was – Kuckuck! Zwei? – (Hebt, indem er weiter auspackt, abermals an) : „Nicht Ross, nicht Reisige“ ... (Er nimmt aus einer Tüte zwei Pfannkuchen, geht damit auf die Kammer zu und ruft mit gedämpfter Stimme) : He! Walter! – Walter! Willste noch’n Pfannkuchen? (Bekommt zuerst keine Antwort.) Na?! WALTER (in der Kammer, halb ängstlich) : Ja! SELICKE: Da! Fang! (Wirft den Pfannkuchen nach Walters Bett hin und lacht.) Na, Gro- ßer! Du auch? (Albert antwortet nicht.) Eh! Frisst’n ja doch! Da! (Wirft auch ihm einen Pfannkuchen zu und geht dann vergnügt, leise vor sich hinpfeifend, zum Tisch zurück.) Ja, ja! Die Jungens! „Nicht Ross, nicht Reisige ...“ (Toni, die solange am Tisch gestanden, hat abwechselnd ihn beobachtet und zur Flurtür hingesehen. Er kramt wieder mit den Sachen. Holt das Portemonnaie 3 vor, klappert mit dem Gelde. Legt ein Goldstück auf den Tisch.) Hier! ... Da können wir beide ... morgen früh noch ... einiges einkaufen ... gehn! Die Jun- gens könn’n dann ’n Baum putzen ... und am Abend ... bescher’n wir! ... Na? Was machste denn für’n Gesicht? TONI: Ich? ... Oh, gar nicht, Vaterchen! SELICKE (misstrauisch) : Ae! Red nich! ... Das heißt: Kommste wieder ... so spät, he? ... Ja, – ja, mein Töchterchen! ... Dein Vater darf sich wohl nich mal’n Tröppchen gönn’n? ... Was?! ... Ae, geh weg! Du altes dummes Fraunzimmer! ... Ja! Ich möcht mal sehn ... wenn euer Vater ... nich wär! ... Weißte, mein’ Tochter? ... Mir geht viel im Koppe 4 rum! ... Ich sorge mich – euretwegen! ... Ja, ja! Wenn ich dich so sehe! ... Wie sind andre Mädchen in deinem Alter! – (Die Flurtür öffnet sich ein wenig. Frau Selicke lauscht durch den Türspalt.) Du liegst dein’m Vater immer noch – auf’m Halse! ... Ja, ja! ... Ae! Du! ... Geh weg! ... Ich mag dich nich mehr – sehn! ... (Für sich, indem er seitwärts tritt und an seinem Rocke herumzerrt, um ihn auszuziehen) : Ae! Is das – ’ne Hitze! ... (Toni versucht ihm beim Ausziehen des Rockes behilšich zu sein. Selicke brummt missgelaunt vor sich hin) : Mach, dass du wegkommst! ... Ich – brauch dich nicht! (Toni hilft ihm dennoch. Er streift etwas die Wand. Endlich hat sie mit zitternden Händen ihm den Überrock und dann auch den Rock abgestreift und beides 1 Hütsche: Kinderschlitten 2 Reisige: berittene Soldaten 3 Portemonnaie: Geldbörse 4 Koppe: Kopf Nur zu Prüfzwecken – E gentum des Verlags öbv

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