Killinger Literaturkunde, Schulbuch

23 456,29 und erwarmt bi einem ure. hât iuch âventiure û  gesant durch minnen solt, sît ir rehter minne holt, sô minnt, als nu diu minne gêt, als dises tages minne stêt. dient hernâch um wîbe gruo  . ruocht erbei en, ob ihs biten muo  .“ Parzivâl der wîgant erbei  te nider al zehant, mit grô  er zuht er vor im stuont. [...] dô sprach er „hêrre, nu gebt mir rât; ich bin ein man, der sünde hât.“ 9. Kommentieren Sie den obenstehenden Textabschnitt: • Erläutern Sie, welchen Aufschluss diese Stelle über das Verhalten gibt, das von einem christli- chen Ritter am Karfreitag erwartet wurde. • Stellen Sie dar, woraus deutlich wird, dass Parzival seine trotzige Auflehnung gegen Gott aufgegeben hat und sich wieder unter Gottes Gebot geben will. Die folgenden Gespräche zwischen Parzival und Trevrizent, der in dem jungen Ritter den Sohn seiner verstorbenen Schwester erkennt, werden zu einer tiefen menschlichen Begegnung. Parzival bekennt dem Oheim die Schuld, die er Gott und anderen Menschen gegenüber auf sich geladen hat, und der Einsicht in die „sünde“ folgt die „riuwe“. Vierzehn Tage verweilt Parzival in der armseligen Einsiedelei, dann scheidet er geläutert und ge- wandelt von seinem frommen Oheim. Trevrizent beendet den priesterlichen Dienst, den er Parzival geleistet hat, mit seinen Abschiedsworten: „gip mir dîn sünde her, vor gote ich bin dîn wandels wer“ (Bürge). Parzival ist nun über das auf weltliche Ehre ausgerichtete Artusrittertum hinausgewachsen und dadurch fähig geworden, das höchste ritterliche Amt zu übernehmen: das des Gralskönigs. Der Gral, ein kostbarer Stein, hat wundertätige Kraft: Wer ihn allwöchentlich anblickt, der ist vor dem Altern geschützt. Überdies spendet der Gral denen, die ihn hüten, Speise und Trank. Seine Kraft ist himmlischen Ursprungs. An jedem Karfreitag schwebt eine weiße Taube vom Himmel hernieder und legt eine kleine weiße Oblate auf den Stein. Durch Inschriften, die auf dem Stein sichtbar wer- den und dann wieder vergehen, tut Gott kund, wen er zum Gralsdienst beruft. Im Gralsrittertum ist also der Zwiespalt zwischen diesseits- und jenseitsbezogener Lebensgestaltung aufgehoben. Die Gralshüter leben ritterlich, sie kämpfen und sie bewähren sich in Abenteuern – nur die spielerische „minne-âventiure“ ist ihnen untersagt –, aber der Beweggrund ihres ritterlichen Tuns ist nicht „hochvart“, nicht hochmütige Überhebung, sondern „diemüete“, die Bereitschaft, Gott zu dienen, sich seinem Willen zu unterwerfen. 10. Suchen Sie zeitgenössische Texte bzw. Filme, die sich auf den Gralsstoff beziehen. Parzival wird Gralskönig Ideal des christlichen Ritters wärmt Euch an einem Feuer. Hat Euch vielleicht die Aventiure hinaus gesandt, Liebe zu verdienen? Wenn Ihr Euch rechter Liebe ergeben habt, so liebt nun in der Weise, wie man heute lieben muß, und mit der Liebe, die dieser Tag gebietet. Danach könnt Ihr dann wieder Euren Dienst den Frauen widmen. Seid so freundlich, steigt ab; ich bitte Euch sogar darum, wenn’s nötig ist!“ Der Held Parzival stieg sogleich vom Pferd. Er stellte sich vor ihn hin mit viel Courtoisie. [...] Er sprach: „Mein Herr, jetzt helft mir, ich bin ein Mann, der Sünde hat.“ iw733q DAS HOCHMITTELALTER | 1170 – 1230 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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