Killinger Literaturkunde, Schulbuch

219 10 12 Die Wasser steigen nieder in zweiter Schale Mitte, und voll ist diese wieder, sie utet in die dritte: 14 16 Ein Nehmen und ein Geben, und alle bleiben reich, und alle Fluten leben und ruhen doch zugleich. Noch im selben Jahr hat Meyer das Gedicht überarbeitet: 2 4 Der Springquell plätschert und ergießt sich in der Marmorschale Grund; die, sich verschleiernd, über ießt in einer zweiten Schale Rund. 6 8 Und diese gibt, sie wird zu reich, der dritten wallend ihre Flut, und jede nimmt und gibt zugleich und alles strömt und alles ruht. Die letzte Fassung entstand zwölf Jahre später, 1882: 2 4 Aufsteigt der Strahl, und fallend gießt er voll der Marmorschale Rund, die, sich verschleiernd, über ießt in einer zweiten Schale Grund; 6 8 die zweite gibt, sie wird zu reich, der dritten wallend ihre Flut, und jede nimmt und gibt zugleich und strömt und ruht. 4. Vergleichen Sie die verschiedenen Versionen dieses Gedichts: • Zeigen Sie auf, in welcher Weise Meyer sein Gedicht bearbeitet hat. • Vergleichen Sie den Anfang der ersten mit dem Anfang der letzten Fassung. • Untersuchen Sie das Metrum am Anfang der letzten Fassung. • Überlegen Sie, wofür „Der römische Brunnen“ ein Symbol sein könnte. DER kRI T I scHE REAL I sMus In Frankreich wurde schon Mitte des 19. Jahrhunderts eine Forderung laut, die allmählich in den Na- turalismus hinüberleitete: die Forderung, ohne jede persönliche Stellungnahme und ohne eine Spur von Teilnahme am Geschick der epischen Figuren zu erzählen. Der realistische Erzähler möchte den Eindruck vermitteln, als stelle er ein Geschehen objektiv dar. Er berichtet wie ein neutraler, außen- stehender Zuschauer. Wir sprechen von einem neutralen Erzählverhalten. Es erweckt in der Leserin oder im Leser den Eindruck, das Geschehen spiele sich unmittelbar vor ihm ab (ähnlich wie bei einem Film), sie bzw. er sei selbst Zeuge und nicht abhängig von einem auktorialen Erzähler. auktoriales erzählverhalten neutrales erzählverhalten Der Erzähler tritt als Vermittler zwischen Geschichte und Leser auf; er erläutert und beurteilt das Gesche- hen, stellt einen direkten Kontakt zum Leser her. (Vgl. Seite 154) Der Erzähler tritt hinter das Geschehen zurück und überlässt die Beurteilung dem Leser. Er ist nicht un- mittelbar zu erkennen. distanz des erzählers k33p6s der realiSmuS | 1850 – 1885 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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