Killinger Literaturkunde, Schulbuch

213 Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, Von dem goldnen Über uss der Welt! Die Materialisten (z. B. Ludwig Büchner, Kraft und Stoff ) verkündeten: 1. Alles, was ist, ist Materie; das Geistige ist ein Produkt der Materie. 2. Die Materie verhält sich nach strengen Gesetzen der Kausalität. 3. Diese Gesetze sind vom Menschen erforschbar und erkennbar. Zu dieser materialistischen Philosophie als Grundlage der so erfolgreichen Physik und Chemie kam die biologische Lehre von der Abstammung der Arten. Im Anschluss an Jean-Baptiste de Lamarcks Evolutionstheorie formulierte der Engländer Charles Darwin (1809 – 1882) seine epochale These, dass die höher organisierten Lebewesen sich aus einfacher organisierten entwickelt hätten und der Mensch das vorläufig letzte Glied dieser Entwicklung sei. Darwin nannte auch den Motor dieser Entwicklung: den Kampf ums Dasein und die natürliche Zuchtwahl. Schon im Titel seines 1859 erschienenen Werkes umschrieb er seine Entdeckung: On the origin of species by means of natural selection , deutsch Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl . Der literarische Realismus war eine europäische Bewegung, die allerdings sehr unterschiedliche Aus- formungen zeigte. Deswegen unterscheidet man den deutschen poetischen (auch bürgerlichen) Realismus vom kritischen Realismus, wie er vor allem in Frankreich aufgetreten ist. Gemeinsam ist ihnen die Hinwendung zur Wirklichkeit, zum Erfahrbaren und objektiv Nachprüfbaren. DER poET I scHE REAL I sMus „Realismus“ ist keine Erfindung des 19. Jahrhunderts; realistische Züge lassen sich schon in mittel- alterlichen Dichtungen nachweisen, dann in den lehrhaft-satirischen, oft derb schwankhaften Dich- tungen des 15. und 16. Jahrhunderts, bei Shakespeare und selbst in der pathetischen Barockzeit, z. B. in Grimmelshausens Simplicissimus , der erklärtermaßen die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges wahrheitsgetreu schildert. Zum Stilprogramm einer Generation wurde der Realismus jedoch erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Hauptvertreter des poetischen Realismus sind: Theodor Storm Conrad Ferdinand Meyer Gottfried Keller Wilhelm Raabe Theodor Fontane Österreichische Spätrealisten: Ludwig Anzengruber Ferdinand von Saar Marie von Ebner-Eschenbach Peter Rosegger Die frühe Zeit des Realismus war an der Theorie stärker interessiert als die spätere. Zunächst wand- te sich die Kunstauffassung gegen die Klassik und die Romantik. Da der Realismus „das wirkliche Leben“ in seiner Vielfalt und seinen zeitbedingten Veränderungen darstellen wollte, lehnte er alles Idealistische ab, etwa die Idee von der Freiheit der sittlichen Person und die Idee von der reinen, schönen Form (Klassik). Und da der Realismus das Erfahrbare und Überprüfbare darstellen wollte, ächtete er die von der Erfahrung losgelöste Phantasie, die mit Wirklichkeit und Kunst ein Spiel treibt evolutionstheorie v7fg9w der realiSmuS | 1850 – 1885 Nur z Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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