Killinger Literaturkunde, Schulbuch

212 Auf DER sucHE nAcH DER wIRkL IcHkEI T Das Jahr 1848 bedeutet einen tiefen politischen Einschnitt. In mehreren europäischen Städten, so in Berlin und Wien, erhob sich das Bürgertum, um die absolutistischen Regierungen zu stürzen. Met- ternich musste abdanken und mit ihm sein System; aber das Bürgertum konnte auch diesmal die Macht im Staate nicht dauerhaft erringen. Es blieben liberale und nationale Bestrebungen, wie die Deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, welche die Gründung eines neuen deutschen Reiches zum Ziel hatte, aber infolge der Rivalität zwischen den Vertretern Österreichs und Preußens nicht von der Stelle kam. So festigten sich die neoabsolutistischen Regierungen in den deutschen Teilstaaten, und es setzte eine nur sehr langsam fortschreitende Entwicklung zur konstitutionellen Monarchie ein. Der bürgerliche Liberalismus mündete zum größeren Teil in einen Nationalismus und einen Patriotismus, die zum Ersten Weltkrieg führten. Wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch gesehen kam es zu einer immer stärkeren Polarisierung von Kapitalismus und Proletariat. Der Aufschwung der Naturwissenschaften brachte eine schnelle Entwicklung der Technik und damit der Industrialisierung mit sich. Das Unternehmertum kam zu Kapital, das zum Kauf neuer Produktionsmittel verwendet wurde. Auf der anderen Seite stieg die Zahl der Arbeiter/innen rapide an. Besonders junge Menschen zogen vom Land in die Städte, zu den Produktionsstätten, und füllten dort rasch errichtete Arbeiterviertel. Sie hatten als einzigen Besitz ihre Arbeitskraft, und die mussten sie um einen Hungerlohn einsetzen. Zu Beginn der industriellen Entwicklung gab es keinen Schutz für die Arbeiterin oder den Arbeiter und keine schlagkräftige Organisation zur Durchsetzung von Forderungen. Schon 1848 veröffentlichten Karl Marx (1818 – 1883) und Friedrich Engels (1820 – 1895) das Ma- nifest der Kommunistischen Partei , aber die Anliegen der Arbeiter/innen gingen in der bürgerlichen Revolution unter. Es dauerte noch Jahrzehnte, bis sich die Arbeiterschaft in Vereinen und Gewerk- schaften organisierte, um ihre Interessen durchzusetzen. Der deutsche Realismus als eine bürgerliche literarische Bewegung ließ gesellschaftspolitische The- men unbeachtet. Die Haltung der Realisten den Zeitproblemen gegenüber war eher kühl, abwar- tend, resignativ. Dagegen empfing der Realismus starke Impulse von der Philosophie der Zeit, besonders von Feuer- bach und den Materialisten. Ludwig Feuerbach (1804 – 1872) versuchte die christliche Religion als psychologisches Phänomen zu erklären und die Menschen zu einer diesseitigen, sinnlich erfassbaren Wirklichkeit hinzuführen. In seinem Sinn schrieb sein Schüler Gottfried Keller später: die bürgerliche revolution von 1848 Kapitalismus und Proletariat das Kommunistische manifest diesseits­ philosophie der realiSmuS ETWA 1850 BIS 1885 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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