Killinger Literaturkunde, Schulbuch

191 1 Spenzer: kurze, eng anliegende Jacke 2 kasimirn: aus Kaschmirstoff 3 atlassen: aus Atlas, einem schweren, hochglänzenden Seidengewebe in Atlasbindung, Satin 25 30 LORENZ kommt zurück: Euer Gnaden! ein junger Herr ist gfahren kommen in ein golde- nen Wagen, der voller Blumen ist, und zwei Rappen vorn, die er kaum erhalten kann, und hintern Wagen tanzen lauter Pagen und rosenfarbe Kammerjungfern her. Er will mit Ihnen reden. WURZEL: Wie heißt er denn? LORENZ: Das weiß ich nicht, er sagt, er ist die Jugend. WURZEL: Ah, ein Jugendfreund wird er gsagt haben. Gleich lasst ihn herein. Das ist a prächtige Visit. Champagner tragts rauf, ihr verdammten Kerls! Ich bin doch ein glücklicher Mann, die schönsten Leut kommen zu mir. Lorenz öffnet die Tür. 3. Charakterisieren Sie Wurzel anhand dieses Textabschnitts. Wie im Barockdrama und im Alt-Wiener Zauberstück finden wir bei Raimund Personifikationen menschlicher Eigenschaften, sittlicher Begriffe und kosmischer Ordnungsmächte. So treten in seinen Dramen unter anderem auf: die Zufriedenheit, der Neid, der Hass, die Faulheit, die Jugend, das Alter, das letzte Lebensjahr, die Hoffnung, Winter, Sommer, Herbst und Frühling. Für Raimund ist die Allegorie das poetische Mittel, ideale Werte und das Eingreifen höherer Mächte in die Welt des Menschen dem Publikum anschaulich darzustellen. die allegorie Die Darstellung eines abstrakten Begriffs als Person oder als sichtbarer Gegenstand nennt man Allegorie. Die Allegorie wird in der Literatur und in der darstellenden Kunst seit der Antike ver- wendet, um Unanschauliches, nur Denkbares sichtbar zu machen: Justitia, Fortuna, Diana, das Glücksrad. Im Mittelalter und im Barock waren allegorische Darstellungen besonders beliebt (vgl. Jesuitendrama, Seite 64ff.). In der modernen Literatur wird die Allegorie selten eingesetzt. 1 5 10 SECHSTER AUFTRITT Sechs PAGEN und sechs MÄDCHEN, weiß gekleidet mit rosenroten Spenzern 1 , welche samt den Hüten mit blühenden Rosen verziert sind, tanzen herein und gruppieren sich auf beiden Seiten der Tür. Dann hüpft die JUGEND herein, eine weiß kasimirn 2 kurze Hose, weiß atlassne Weste mit silbernen Knöpfchen, am Kragen mit Rosen garniert. Rosenrotes Fräckchen. Weiß atlassnen 3 runden Hut mit einem Rosenband. Das Beinkleid am Knie mit silbernen Knöpfen und rosenroten Bändern gebunden. Sie spricht im hochdeutschen Dia- lekte mit einem Anklange des Preußischen. VORIGE. JUGEND: Grüß dich der Himmel, Brüderchen! Du nimmst es doch nicht übel, dass ich dir meine persönliche Aufwartung mache? allegorie 5x42eg daS Biedermeier | 1815 – 1848 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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