Killinger Literaturkunde, Schulbuch

19 Exkurs: Zur Schreibweise und Aussprache des Mittelhochdeutschen Die Aussprache und die Schreibung des Mittelhochdeutschen unterschieden sich deutlich vom Neuhochdeutschen. Mit Hilfe von Vergleichen mit einzelnen Dialekten und anderen Sprachen (z. B. lateinischen Transkriptionen) konnte die mittelhochdeutsche Aussprache rekonstruiert werden. Vokale Länge und Kürze der Vokale unserer heutigen Sprache stimmen nicht immer mit den mittelhoch- deutschen Verhältnissen überein. Bei der vereinheitlichten Schreibweise der Textausgaben wird auf die im Mittelhochdeutschen lang gesprochenen Vokale ein Zirkumflex (^) gesetzt: mhd. â dâhte nhd. dachte ê mêr(e) mehr î herzenlîche herzlich zît Zeit (î>ei) ô hôhgezîte Hochzeit û û  aus (û>au) iu (diu, iuch) ist als langes ü zu sprechen. Kurze Vokale sind nicht mit einem Zirkumflex gekennzeichnet: mhd. a sa˘ gen nhd. sa¯ gen ä mägede Mägde e de˘ gen De¯ gen i si, ir sie, ihr(e) o wo˘ l wo¯ hl u nu˘ nu¯ n ü künege König Die kurzen Vokale in offener Silbe (sa˘ –gen, de˘ –gen) wurden erst im Neuhochdeutschen zu langen Vokalen. Dies ist eine der wesentlichsten Veränderungen in der Lautentwicklung vom Mittelhoch- deutschen zum Neuhochdeutschen. 6. Suchen Sie in den Strophen des Nibelungenliedes Wörter, in denen im Mittelhochdeutschen ein kurzer Vokal, aber im Neuhochdeutschen ein langer Vokal gesprochen wird. Im Mittelhochdeutschen wurden die Diphthonge /ei/, /ie/, /ou/, /öi/, /uo/, /üe/ deutlich zweitonig gesprochen (wie oft heute noch in der bairisch-österreichischen Mundart): mhd. ei neic mhd. ie liep, liehte mâne, Kriemhilt, die mhd. ou schouwen mhd. öi vröide mhd. uo guot, muot mhd. üe brüeder, küenen Dehnung 7t697m DAS HOCHMITTELALTER | 1170 – 1230 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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