Killinger Literaturkunde, Schulbuch

187 DRAMA DEs BIEDERMEIER Das Drama des Biedermeier war durch zwei Varianten geprägt. Franz Grillparzer (1791 – 1872) suchte den Anschluss an die deutsche Klassik und das Barocktheater sowie an spanische Traditionen, die Wiener Volkskomiker Ferdinand Raimund (1790 – 1836) und Johann Nestroy (1801 – 1862) an die Wiener Volkstheatertradition, deren Nährboden in der Spannweite zwischen barockem Ma- schinerietheater mit Götterhimmel und Zauberspuk und der Komödie bürgerlicher Charaktertypen liegt. Alle drei Autoren wurden von der Zensur in ihrer Arbeit behindert. Die Einschränkungen durch die Zensur betrafen alle Gattungen, besonders aber das Drama, da es die Möglichkeit hat, die Zuseher/ innen direkt anzusprechen, und damit eine unmittelbarere Wirkung als mit anderen Formen zu erzielen ist. Raimund wich den Beschränkungen dadurch aus, dass er die Handlungen in die Mär- chen- und Feenwelt verlegte, Nestroy wiederum arbeitete mit Wortwitz und Improvisation, die den Zensoren die Arbeit erheblich erschwerten. Franz Grillparzer Die Werke Franz Grillparzers, eines wichtigen österreichischen Dramatikers dieser Zeit, sind von seiner melancholisch-depressiven Grundeinstellung, seinem Unwillen, sich den staatlichen Stellen (Zensur) unterzuordnen, und seiner Bewunderung für die Weimarer Klassik geprägt. Einblick in die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Dichters gewährt die folgende Begebenheit: Der Polizeipräsident und Leiter der Zensurbehörde Graf Sedlnitzky ließ 1828 Grillparzer mitteilen, dass Seine Majestät der Kaiser das Drama Ein treuer Diener seines Herrn ganz allein besitzen möchte und dem Dichter für das damit verbundene Verbot der Drucklegung und Aufführung eine angemessene Entschädigung bezahle. Damit sollte eine Veröffentlichung verhindert werden. Grillparzer übergab dem Polizeipräsidenten ein entsprechendes Schreiben und notierte in seinem Tagebuch: „Er (Sedl- nitzky) schien zufrieden und fand die angesetzte Entschädigungssumme mäßig. Begreife das, wer kann! Ich muss nun abwarten, was erfolgt. Ende die Sache aber auch wie immer. Die unsichtbaren Ketten klirren an Hand und Fuß. Ich muss meinem Vaterlande Lebewohl sagen oder die Hoffnung auf immer aufgeben, einen Platz unter den Dichtern meiner Zeit einzunehmen.“ Zensur Blick in das Direktorenzimmer des Wiener Hofkammerarchivs, in dem Franz Grillparzer als Direktor von 1848 bis 1856 arbeitete. Das Hof- kammerarchiv umfasst Archivalien aus dem Geschäftsgang der Hof- kammer seit dem 16. Jahrhundert. e78f2x daS Biedermeier | 1815 – 1848 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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