Killinger Literaturkunde, Schulbuch

179 Die Romantiker verwenden das Stilmittel der Synästhesie. Die Psychologie versteht unter Synäs- thesie die Erregung eines Sinnesorgans durch einen nichtspezifischen Reiz, z. B. die Vorstellung von Farben bei akustischen Eindrücken. In der Literatur wird die Verschmelzung der Sinnesreize meta- phorisch dargestellt. In dem Singspiel Die lustigen Musikanten gibt es ein Duett zwischen Fabiola und dem blinden Piast, während eine Flöte hinter der Bühne ein Solo spielt: 2 4 6 8 Hör’, es klagt die Flöte wieder, Und die kühlen Brunnen rauschen. Golden wehn die Töne nieder, Stille, stille, lass uns lauschen! Holdes Bitten, mild Verlangen, Wie es süß zum Herzen spricht! Durch die Nacht, die mich umfangen, Blickt zu mir der Töne Licht. 7. Nennen Sie die Synästhesien in den Versen aus Brentanos Singspiel. DIE späTRoMAnT Ik Der Mittelpunkt der Spätromantik (ab 1815) war Berlin, wo Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Adelbert von Chamisso, Friedrich de la Motte Fouqué und andere wirkten. In der Phase der Spät- romantik waren besonders die Novelle und die Erzählung beliebt; bei Hoffmann findet man eine Vorform der Kurzgeschichte. Das Drama ist für die Romantiker im engeren Sinn von geringerer Bedeutung. Kennzeichnend ist der Hang der älteren Romantiker zum Unfertigen, zum Fragment, das zu einer eigenständigen Form kultiviert wurde. Bei E. T. A. Hoffmann (1776 – 1822) vollzog sich die entscheidende Wendung zu einem phantasti- schen Realismus. Hoffmann war es auch, der neben Goethe der deutschen Dichtung Weltgeltung verschaffte. Nachhaltig war sein Einfluss auf die Literatur in Frankreich, Russland und Amerika. E. T. A. Hoffmann war ein ausgezeichneter Jurist und Beamter, aber auch ein vielseitiger Künstler, der nicht nur dichtete, sondern auch zeichnete, malte und komponierte. Als Leiter des Bamberger Theaters dirigierte er seine eigene Oper Undine und gestaltete die Bühnenbilder. Er war der Begründer der Kriminalgeschichte ( Das Fräulein von Scuderi ) und führte die romantische Ironie auf ihren Höhepunkt ( Lebensansichten des Katers Murr ). Hoffmann ist der Darsteller der Alp- träume, der Nachtseiten der Natur, der Vielschichtigkeit seelischer Vorgänge. Neben dem Grotesken steht das Abgründige der menschlichen Existenz. In Hoffmanns Erzählungen und Romanen findet sich das Doppelgängermotiv ( Die Elixiere des Teufels ) ebenso wie der Einbruch des Wunderbaren in den Alltag ( Der goldene Topf ). Zur Spätromantik gehört auch Joseph von Eichendorff (1788 – 1857), der mit seinen liedhaften Gedichten der volkstümlichste aller Romantiker wurde. In seiner Novelle Aus dem Leben eines Tau- genichts wollte er durch eingestreute Lieder eine Verbindung von Epik und Lyrik im Sinn der Uni- versalpoesie herstellen. Verschmelzung verschiedener Sinnesreize Berliner romantik n8n6ea die romantiK | 1795 – 1835 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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