Killinger Literaturkunde, Schulbuch

169 DIE fRÜHRoMAnT Ik In der Stadt Jena, die zum Herzogtum Sachsen-Weimar gehörte, taten sich in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts die Brüder August Wilhelm Schlegel (1767 – 1845) und Friedrich Schlegel (1772 – 1829), die sich als Literaturtheoretiker verstanden, der Philosoph Friedrich Wilhelm Schelling (1775 – 1854) und die beiden Dichter Ludwig Tieck (1773 – 1853) und Novalis (eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, 1772 – 1801) zusammen. Sie waren Studenten oder freie Schrift- steller, alle zwischen 25 und 30 Jahre alt und fest entschlossen, ihr Leben anders zu gestalten als die „philisterhaften Bürger“ 1 , nämlich als exzentrische Bohemiens 2 , die nicht nur ein neues Kunst- programm, sondern auch die Emanzipation der Frau und die freie Liebe durchsetzen wollten. Die Gruppe verstand sich zunächst als Gegengewicht zur Spätaufklärung und deren Vernunftkult. Sie fand sich bestätigt durch Herder und Hamann, die sich bereits in den sechziger Jahren auf die Kräfte des leidenschaftlichen Fühlens, auf die Phantasie und die Ahnung berufen hatten. Nur im Traum, in der Vision und in der Ekstase 3 könnten Menschen die wahre Welt ahnen. Von da her wird die romantische Poesie eine Poesie der Sehnsucht und der Phantasie. Jenaer Kreis 1 philisterhafte Bürger: Spießbürger 2 Bohemien: unbekümmerte, leichtlebige, unkonventionelle Künstlernatur 3 Ekstase: Verzückung, rauschhafter Zustand Caspar David Friedrich (1774 – 1840), Ansicht eines Hafens, um 1815/16, Schloss Charlottenhof Potsdam. Friedrich gilt als bedeu- tendster Maler und Zeichner der deutschen Frühromantik, charakteris- tisch für seine Werke sind Natur- und Landschaftsdarstellungen. 53hh8t die romantiK | 1795 – 1835 Nur zu Prüfzwecke – Eigentum des Verlags öbv

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