Killinger Literaturkunde, Schulbuch

149 erhält dafür vom Herzog einen Lorbeerkranz. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn gerät er in Ge- gensatz zur Hofetikette. 1 5 10 15 20 25 TASSO: Die goldne Zeit, wohin ist sie ge ohn, Nach der sich jedes Herz vergebens sehnt? Da auf der freien Erde Menschen sich Wie frohe Herden im Genuss verbreiteten; Da ein uralter Baum auf bunter Wiese Dem Hirten und der Hirtin Schatten gab, Ein jüngeres Gebüsch die zarten Zweige Um sehnsuchtsvolle Liebe traulich schlang; Wo klar und still auf immer reinem Sande Der weiche Fluss die Nymphe sanft um”ng, Wo in dem Grase die gescheuchte Schlange Unschädlich sich verlor, der kühne Faun 1 , Vom tapfern Jüngling bald bestraft, ent oh; Wo jeder Vogel in der freien Luft Und jedes Tier, durch Berg’ und Täler schweifend, Zum Menschen sprach: Erlaubt ist, was gefällt. PRINZESSIN: Mein Freund, die goldne Zeit ist wohl vorbei; Allein die Guten bringen sie zurück. Und soll ich dir gestehen, wie ich denke: Die goldne Zeit, womit der Dichter uns Zu schmeicheln p egt, die schöne Zeit, sie war, So scheint es mir, so wenig, als sie ist; Und war sie je, so war sie nur gewiss, Wie sie uns immer wieder werden kann. Noch treffen sich verwandte Herzen an Und teilen den Genuss der schönen Welt; Nur in dem Wahlspruch ändert sich, mein Freund, Ein einzig Wort: Erlaubt ist, was sich ziemt. 1 Faun: lüsterner Waldgott, Beschützer der Herden Johann Wolfgang von Goethe (28.8.1749 – 22.3.1832), Gemälde von Joseph Karl Stieler aus dem Jahre 1828; Öl auf Leinwand, Neue Pinakothek München. zj4283 die deutSche KlaSSiK | 1786 – 1805 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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