Killinger Literaturkunde, Schulbuch

148 dieser dem täglichen Sprachgebrauch entrückten Literatursprache, sondern auch einfache Men- schen, wie der Köhler in Schillers Jungfrau von Orleans , der zu Johanna sagt: Ihr scheint der Ruhe zu bedürfen. Kommt! Was unser schlechtes Dach vermag, ist euer. DAs DRAMA DER DEuTscHEn kLAss Ik Das klassische deutsche Drama hat das Ziel, den Menschen zu läutern, damit er nicht seinen Lei- denschaften und Trieben unterliegt, sondern aus Einsicht in das Gute eben dieses Gute verwirklicht. Indem der Mensch innere Widersprüche und Konflikte löst, entwickelt er sich zu einer harmonischen Persönlichkeit. 9. Haben Dramen bzw. dramatische Darstellungen in verschiedenen Medien heute noch das Potenzial, Menschen zu verändern? Den Bau des klassischen Dramas hat Gustav Freytag im 19. Jahrhundert stark schematisiert beschrie- ben. Nach Freytag gliedert sich die Tragödie in fünf Abschnitte, entsprechend den fünf Akten. 1. Die Einleitung (Exposition) macht mit der Situation und den wichtigen Figuren bekannt. Meistens wird über die Hauptfigur zwar gesprochen, sie erscheint aber noch nicht. 2. Auf das so genannte „erregende Moment“ (dem Publikum ist jetzt der Konflikt klar) folgt die steigende Handlung. 3. Das Geschehen spitzt sich zu und erreicht seinen dramatischen Höhepunkt, der zugleich Wende- punkt ist (Peripetie am Ende des 3. Aktes). 4. Die fallende Handlung zeigt die Folgen der Tat und die Ausweglosigkeit der Situation des Helden auf, allerdings wird die Handlung etwas verzögert und kurz Hoffnung auf die Rettung des Helden gemacht (retardierendes Moment). 5. Im letzten (5.) Akt ereignet sich die Katastrophe. Der tragische Held sühnt seine Tat mit dem Tod. 10. Überprüfen Sie dieses Aufbauschema an einem Ihnen bekannten klassischen Drama. Goethe: torquato tasso (1790) 1775 kam der Bürger der Freien Reichsstadt Frankfurt Johann Wolfgang Goethe auf Einladung des 18-jährigen Herzogs Karl August an den Weimarer Hof, an dem noch spätabsolutistische Vorstellun- gen herrschten, etwa die, dass ein Hofdichter für Gelegenheitsdichtungen und amüsante Festveran- staltungen zu sorgen habe. Der 26-jährige Goethe, der kurz zuvor sein Drama über die Freiheit, Götz von Berlichingen , hatte erscheinen lassen, musste sich zunächst der Hofsitte anpassen. In seinem klassischen Drama Torquato Tasso geht es um die Selbstwertkrise des bürgerlichen Dich- ters in der Abhängigkeit vom höfischen Mäzenatentum: Torquato Tasso lebt am Hof des Herzogs von Ferrara und hat sich in dessen Schwester, Prinzessin Eleonore, verliebt. Eben hat er sein Versepos Das befreite Jerusalem , in dem die Ahnen des Herzogs eine großartige Rolle spielen, vollendet und läuterung des menschen der dichter an einem Fürstenhof Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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