Killinger Literaturkunde, Schulbuch

146 15 20 25 30 35 Den Vogel holt er mit seinem Garn herunter, wilde Tiere und die Schwärme des Meeres fängt er mit seinem feingesponnenen Netz, der kluge Mensch. Mit List bezwingt er, was auf Bergen haust, und das Pferd mit mächtiger Mähne beugt er unter sein Joch. Er lernt die Sprache, windschnelle Gedanken zu nennen, baut Häuser zu seinem Schutz und ordnet das Leben im Staat. In keiner Lage bleibt er ohne Rat. Selbst aus Seuchen, unbewältigbaren, hat er sich Rettung ersonnen. Nur dem Tod entrinnt er nicht. Dank seiner Er”ndungen mit nie erhoffter Gewalt versehn, treibt’s ihn bald zum Bösen und bald zum Guten. – Wer des Landes Gesetze ehrt und der Götter beschwornes Recht, ist angesehn in der Stadt. Heimatlos ist, wer sich dem Unrecht ergab vermessenen Sinns. Nie sei Gast an meinem Herd, nie mein Gesinnungsfreund, wer solches beginnt. 7. Erläutern Sie in diesem Textabschnitt die Funktion des Chores. Das griechische Drama verfügte neben dem chorischen Sprechen über die auch heute üblichen sprachlichen Ausdrucksmittel Dialog und Monolog. In Medea stellt Euripides (480 – 406 v. Chr.) den inneren Kampf der Titelheldin zwischen ihrer maß- losen Rachegier und ihrer Mutterliebe dar, der den Höhepunkt des ganzen Dramas bildet: Medea überlegt, sich an dem ihr untreu gewordenen Gatten Jason zu rächen, indem sie ihre ge- meinsamen Söhne umbringt. 1 5 10 MEDEA: Was schaut ihr so auf mich mit großen Augen? Und lacht mich an zum allerletzten Mal? (Geht von den Kindern fort zum Chor.) Was tun, ihr lieben Fraun? Mir schwand der Mut, Als ich die Kinderaugen leuchten sah. Ich kann nicht, gebe meinen ersten Plan Jetzt auf und nehme doch die Kinder mit. Sollt ich, um ihren Vater durch ihr Schicksal Zu treffen, mich selbst noch grausamer strafen? Nein, nein, niemals. Drum fort mit diesem Plan. – – – Irrweg des Herzens! Könnt ich es ertragen, Nur zu Prüfzwecken – Eigentum es Verlags öbv

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