Killinger Literaturkunde, Schulbuch

144 110 115 120 KREON (auffahrend) : Nun willst du gar, Verwegner, mir noch droh’n? HAIMON: Ist’s Droh’n, wenn man vor eitlem Wahne warnt? KREON: Zu deinem Unheil, Tor, belehrst du mich. HAIMON: Dich hieß ich Tor, wärst du mein Vater nicht. KREON (mit Hohn) : Wahrhaftig? – Nun, so schwör’ ich beim Olymp, nicht stra os höhnst du mich mit frechem Wort. (Zu seinem Gefolge:) Führt die Verhasste her, damit sofort sie vor den Augen ihres Bräut’gams sterbe. (Zwei von der Begleitung Kreons gehen in den Palast.) HAIMON: Das wird nicht sein – du täuschest dich –, dass sie vor meinen Augen stirbt; mich aber wirst du nie mehr wiederseh’n; dann magst du rasen vor Leuten, die zu tragen dies gewillt. (Haimon geht ab.) 4. Untersuchen Sie, wie es in diesem Gespräch zu einem unüberwindlichen Konflikt zwischen Kreon und seinem Sohn Haimon kommt: • Erläutern Sie, wie Kreon vor seinem Sohn das Todesurteil für Antigone rechtfertigt. • Stellen Sie dar, welche Eigenschaften er bei einem Untertanen für die wichtigsten, welche für die schädlichsten hält. • Kommentieren Sie, wie er Frauen einstuft. • Illustrieren Sie, in welchen Versen man erkennt, dass Kreon ein gefährlicher Tyrann ist. • Kennzeichnen Sie den Charakter und die politische Auffassung Haimons. 5. Kommentieren Sie den Gesprächsverlauf: • Heben Sie hervor, an welchen Stellen es zu einer Verschärfung der Auseinandersetzung kommt. • Zeigen Sie auf, welche Versuche Haimon unternimmt, seinen Vater zu überzeugen. Bevor Kreon, der einen Sinneswandel durchmacht, Antigone befreien kann, tötet sie sich selbst. Haimon begeht – wie angedroht – ebenfalls Selbstmord. Nachdem Haimons Mutter Eurydike sich ebenfalls getötet hat, erkennt Kreon sein Fehlverhalten. Schuld und Sühne Aristoteles meint, dass der Held einer Tragödie „sich in großem Ansehen und in einer glücklichen Lebensstellung“ befinden müsse, weil nur der tiefe Fall den Zuschauer erschüttere. Diese Forderung wurde in späteren Poetiken zur „Ständeklausel“ (vgl. Seite 54). 6. Erklären Sie in diesem Zusammenhang die Bedeutung des „bürgerlichen Trauerspiels“. Illust- rieren Sie, welche soziale Stellung die Hauptfiguren in modernen Dramen, die Ihnen bekannt sind, einnehmen. Die tragische Schuld der griechischen Dramenhelden wird auf verschiedene Weise begründet: 1. Zwei gleich wichtige, aber miteinander unvereinbare sittliche Pflichten sollen erfüllt werden. Jede Entscheidung muss Schuld nach sich ziehen (Antigone). tragische Schuld Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=