Killinger Literaturkunde, Schulbuch

14 1 trefflich: vorzüglich 2 töricht: dumm, einfältig 273 Dô sprach zuo dem künege der degen Ortwîn: „welt ir mit vollen êren zer hôhgezîte sîn, sô sult ir lâ  en schouwen diu wünneclîchen kint, die mit sô grô  en êren hie zen Burgonden sint. 274 Wa  wære mannes wünne, des vreute sich sîn lîp, e  entæten schœne mägede und hêrlîchiu wîp? lâ  et iuwer swester für iuwer geste gân.“ der rât was ze liebe vil manegem helde getân. 275 „Des wil ich gerne volgen“, sprach der künec dô. alle die  erfunden, die wârens harte vrô. er enbôt e  frouwen Uoten und ir tohter wol getân, da  si mit ir mageden hin ze hove solde gân. [...] 281 Nu gie diu minneclîche alsô der morgenrôt tuot û  den trüeben wolken. dâ schiet von maneger nôt der si dâ truoc in herzen und lange het getân: er sach die minneclîchen nu vil hêrlîchen stân. [...] 283 Sam der liehte mâne vor den sternen stât, des schîn sô lûterlîche ab den wolken gât, dem stuont si nu gelîche vor maneger frouwen guot. des wart dâ wol gehœhet den zieren helden der muot. [...] 285 Er dâhte. in sînem muote „wie kunde da  ergân da Z ich dich minnen solde? da  ist ein tumber wân. sol aber ich dich vremeden, sô wære. ich sanfter tôt.“ er wart von den gedanken vil dicke bleich unde rôt. [...] „Ich will es gerne veranlassen!“, sagte da der König, und die es hörten, freuten sich sehr. Er ließ es der Herrin Ute und ihrer schönen Tochter ausrichten, dass sie in Begleitung ihrer Jungfrauen bei Hofe erscheinen möchten. [...] Wie das Morgenrot aus den trüben Wolken hervortritt, so schritt das liebliche Mädchen nun einher, und alsbald lösten sich in Siegfried, der ihr Bild heimlich im Herzen trug und nun schon lange getragen hatte, alle Liebesqualen. In allem Glanz sah er das liebliche Mädchen vor sich stehen. [...] So wie der helle Mond, der so rein aus den Wolken herausleuchtet, die Sterne überstrahlt, so stand sie nun vor den vielen anderen trefflichen 1 Frauen. Den stattlichen Helden schlug bei ihrem Anblick das Herz höher. [...] Er dachte bei sich: „Wie könnte ich nur deine Liebe gewinnen? Ich glaube, das ist eine törichte 2 Erwartung! Wenn ich dich jedoch meiden sollte, dann wäre es besser, ich wäre tot!“ Bei diesen Überlegungen wechselte immer wieder seine Gesichtsfarbe. [...] Da sagte der Held Ortwin zum König: „Wenn Ihr auf dem Fest den vollen Glanz Eurer Herrschaft zeigen wollt, dann dürft Ihr den Gästen den Anblick der schönen Mädchen, den Stolz des Burgundenlandes, nicht vorenthalten. Was könnte einen Mann glücklich machen, was ihn erfreuen, wenn nicht die Schönheit der Mädchen und der Glanz der Damen? Lasst auch Eure Schwester vor den Gästen erscheinen.“ Dieser Rat entsprach genau den Wünschen zahlreicher Helden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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