Killinger Literaturkunde, Schulbuch

126 5 10 MEPHISTOPHELES: Wie magst du deine Rednerei Nur gleich so hitzig übertreiben? Ist doch ein jedes Blättchen gut. Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut. FAUST: Wenn dies dir völlig G’nüge tut, So mag es bei der Fratze bleiben. MEPHISTOPHELES: Blut ist ein ganz besondrer Saft. 4. Vergleichen Sie den Teufelspakt im Volksbuch mit dem in Goethes Faust : • Arbeiten Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. • Illustrieren Sie typische Aspekte des Teufelspaktes. • Kommentieren Sie die Motive von Goethes Faust, das Bündnis mit dem Teufel einzugehen. Die Form der Faustdichtung Goethes ist vielgestaltig: Manche Stellen sind in Prosa abgefasst, der Großteil jedoch in verschiedenen Versmaßen. Die älteren Teile sind im Knittelvers geschrieben (vgl. Seite 49). Goethe übernahm diese Versform aus der Dichtung des 15. und 16. Jahrhunderts und wollte damit die Zeit der Handlung charakterisieren. Außerdem verwendete er den Blankvers, den Alexandriner und kurze Formen, ja sogar Liedstrophen. Die Sprache ist den Personen angepasst: Faust redet anders als Mephisto, der gern Fremdwörter gebraucht, um seine Redeabsicht zu ver- schleiern. Der Redestil der Personen ist aber auch von der Situation abhängig. Goethes Faust im Spiegel der Literaturgeschichte Ein Blick in literaturgeschichtliche Werke aus verschiedenen Zeiten zeigt, wie unterschiedlich die Gestalt des Faust in Goethes Drama gedeutet wird. Die Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen von Georg Gottfried Gervinus er- schien in erster Auflage 1835 bis 1842. Der Autor steht auf dem Boden des bürgerlichen Liberalis- mus. Er meint, „dass der Mensch nur in der Nation wahrhaft stark und groß sich entwickelt“. Für Gervinus, der auch Historiker war und der als Erster die Dichtung in engem Zusammenhang mit der historischen Entwicklung sah, liegt eine deutliche Parallele zwischen der Entstehungszeit des Volks- buches (zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts) und der Entstehungszeit des ersten Teiles von Goethes Faust (zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts) vor. In beiden Zeitaltern mischen sich Aberglaube und Aufklärung, in beiden war „die Möglichkeit gegeben, sich zur reinen Menschlichkeit hinanzubilden“. Von Goethes Werk heißt es dann: „Es leuchtet ein, dass Faust diesen Durchbruch [...] darstellt.“ Faust, der „aus dem dunklen Zustande des Individuums hervorgegangen“ ist, zeigt also, wie sich der Mensch aus dem Aberglauben seiner Zeit löst und zu Freiheit und sinnvoller sozialer Tätigkeit fortschreitet. Wilhelm Scherers Geschichte der deutschen Literatur erschien erstmals 1883. Scherer sieht in Faust ein Abbild Goethes: 1 Wie Faust glaubte Goethe in [...] chemischen und alchimistischen Schriften den Schlüssel zu dem geheimnisvollen Zusammenhange des Naturganzen finden zu können. Wie Faust hegte er Selbstmordgedanken. Wie Faust war er frommen Stimmungen zugänglich und in der An- schauung des Weltalls religiös. [...] Wie Faust neigte er sein Herz einfachen Bürgermädchen Faust als Vertreter der bürgerlichen Aufklärung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum es Verlags öbv

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