Killinger Literaturkunde, Schulbuch
115 25 Acht, gib du Acht! und wenn du aus jedem Astloch ein Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen Schildwache ständest, er wird sie, dir auf der Nase, beschwatzen, dem Mädel eins hinsetzen und führt sich ab 1 , und das Mädel ist verschimp ert 2 auf ihr Leben lang, bleibt sitzen, oder hat’s Handwerk verschmeckt 3 , treibt’s fort. (Die Faust vor die Stirn) Jesus Christus! 14. Beschreiben Sie, welche Position Miller und welche seine Frau vertritt. 15. Analysieren Sie die Sprache des Musikus Miller und seiner Frau. Ferdinand, der Luise aufrichtig liebt, soll die Mätresse des Herzogs, Lady Milford, heiraten, damit der Vater Ferdinands, Präsident von Walter, noch mehr Einfluss auf den Herzog nehmen könne. In der folgenden Szene wird einerseits die brutale Herrschaft des Fürsten angeprangert, andererseits zeigt Lady Milford menschliche Züge. 1 5 10 15 20 Zweiter Akt, zweite Szene Ein alter Kammerdiener des Fürsten, der ein Schmuckkästchen trägt. KAMMERDIENER: Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Mylady zu Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen soeben erst aus Venedig. LADY (hat das Kästchen geöffnet und fährt erschrocken zurück) : Mensch! Was bezahlt dein Herzog für diese Steine? KAMMERDIENER (mit nsterem Gesicht) : Sie kosten ihn keinen Heller. LADY: Was? Bist du rasend? Nichts? – Und ( indem sie einen Schritt von ihm wegtritt ) du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohren wolltest. – Nichts kosten ihn diese unermesslich kostbaren Steine? KAMMERDIENER: Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika fort. – Die zahlen alles. LADY (setzt den Schmuck plötzlich nieder und geht rasch durch den Saal; nach einer Pause zum Kammerdiener) : Mann, was ist dir? Ich glaube, du weinst? KAMMERDIENER (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle Glieder zitternd) : Edelsteine wie diese da. – Ich hab’ auch ein paar Söhne drunter. LADY (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend) : Doch keinen Gezwungenen? KAMMERDIENER (lacht fürchterlich) : O Gott! Nein, lauter Freiwillige. Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe, aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Paster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe nach Amerika! LADY (fällt mit Entsetzen in den Sofa) : Gott! Gott! – Und ich hörte nichts? Und ich merkte nichts? 1 führt sich ab: verschwindet, macht sich aus dem Staub 2 verschimpfiert: beschimpft, entehrt 3 verschmeckt: gekostet, ausprobiert j977pa DER STURM UND DRANG | 1770 – 1785 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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