Zeitbilder 8, Schulbuch
M4 Die Reaktionen der Oppositionsparteien auf die Aussagen des Bundespräsidenten Fischers KURIER-Interview schlug hohe Wellen Die Skepsis, die Bundespräsident Heinz Fischer ge- genüber einem Ausbau der direkten Demokratie am Sonntag in einem KURIER-Interview geäußert hat, ärgert FPÖ und BZÖ. Und sie findet auch keinen An- klang beim Chef der Jungen ÖVP, Sebastian Kurz. Letzterer erklärte zu Pfingsten, dass er die Meinung des Staatsoberhaupts zwar respektiere. Er sei aber der Meinung, dass Österreich „mehr Selbstbestim- mung statt Bevormundung“ brauche. Daher werde man unbeirrt an den Plänen zur Aufwertung der di- rekten Demokratie festhalten. Deutlich weniger höf- lich äußerten sich die Rechtsparteien. FPÖ-General- sekretär Herbert Kickl nannte Fischer einen „musea- len Gralshüter“ eines Politsystems, das sich in vielen Bereichen überlebt habe. BZÖ-Bündniskoordinator Markus Fauland meinte, Fischer zeige in seinem politischen Handeln „immer mehr Allüren wie ein selbstherrlicher Kaiser“. Auch die Grünen können mit Fischers Aussagen zur direkten Demokratie „wenig anfangen“. Es mute ar- rogant an zu meinen, die Wähler würden möglicher- weise keine vernünftigen Entscheidungen zusam- menbringen, sagte Verfassungssprecherin Daniela Musiol. Vielmehr hätten es die Menschen satt, wenn Volksbegehren in den Schubladen des Parlaments landen. (http://kurier.at/nachrichten/4497799-spindelegger-volksabstim- mung-vor-wahl.php; 28.5.2012) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Erkläre mit Hilfe von M1, M2 und M3, was unter „direk- ter Demokratie“ und „repräsentativer bzw. parlamentari- scher Demokratie” verstanden wird. 2. Fasse „die Bruchlinien zwischen Jung und Alt“ (M1) zu- sammen und nimm Stellung: In welchen Punkten kannst du der Meinung des Journalisten zustimmen, wo nicht? 3. Arbeite die Argumente heraus, mit denen der Bundes- präsident für den traditionellen Parlamentarismus eintritt und ein Mehr an Volksabstimmungen ablehnt (M2) – nimm Stellung dazu. Beurteile im Zusammenhang damit auch die Reaktionen der Oppositionsparteien (M4) sowie die Vorschläge der Regierungsparteien (M3). gisch, die plebiszitäre Demokratie zu forcieren und sich gleichzeitig davor zu fürchten. Die Bevölkerung würde mit Erstaunen registrieren, dass die von ih- nen gewählten Parlamentarier darüber entscheiden, worüber die Wähler abstimmen dürfen und worüber nicht. Ich bin auf diese Liste schon neugierig. Es sollte also keine Automatik geben: Ab zehn Pro- zent Unterstützer eines Volksbegehrens gibt es eine Volksabstimmung? Keine Automatik, wo die parlamentarische Ver- antwortung übersprungen werden kann. Ich habe Sorgen, dass man den Grundsatz durchbricht, dass Gesetze nicht zustandekommen, ohne dass das Par- lament an ihrer Formulierung beteiligt war. Dabei spreche ich jetzt ausdrücklich von der Bundesebene. (http://kurier.at/nachrichten/4497613-fischer-nein-zu-mehr-volksab- stimmungen.php; Interview von Karin Leitner u. Josef Votzi, 26.5.2012) M3 Wie die Regierungsparteien mehr direkte Demokratie verwirklichen wollen: Regierung will mehr Hürden vor Volksabstimmung Ein Volksbegehren soll nun doch nicht ab 650 000 Stimmen automatisch zu einer bindenden Volksab- stimmung führen. Die Regierung hat in Sachen direk- te Demokratie einen geordneten Rückzug begonnen. Die ursprüngliche Idee, nach einem erfolgreichen Volksbegehren automatisch eine bindende Volksab- stimmung durchführen zu lassen, ist ad acta gelegt worden. Der Automatismus fällt, ohne Einbindung des Parlaments kann auch keine Volksabstimmung durchgeführt werden, heißt es jetzt. Grund ist die Sorge, dass Volksabstimmungen durch populistische Themen (Ausländer, Sozialgesetzge- bung) missbraucht werden. Nun will die ÖVP mög- liche Befragungsthemen zuerst vom Höchstgericht prüfen lassen. ÖVP-Grande Andreas Khol glaubt, dass man „das Instrument sinnvoll gestalten kann“, um Missbrauch zu verhindern, „weil wir eine Vor- prüfung durch den Verfassungsgerichtshof einführen werden“. Damit würden „hinreichend Schranken“ eingeführt, was gefragt werden kann, sagte er dem KURIER. Bei der SPÖ wird derzeit ein mehrstufiges Modell bevorzugt: Zuerst sind ausreichend Unterschriften für eine Gesetzesinitiative nötig, damit sie im Parla- ment behandelt wird. Sie wird verfassungsrechtlich geprüft. Dann folgt ein Volksbegehren – und erst da- nach kann eine Volksabstimmung beschlossen wer- den. Das Parlament wäre in alle Schritte voll einge- bunden. Außerdem häufen sich die Einwände bei den Partei- en, welche Rechtsmaterien sicher nicht Thema sein können: Internationale Verträge, Steuern, Grund- rechte, Minderheitenrechte, Ausländergesetzge- bung. (Gaul, http://kurier.at/nachrichten/4498038-regierung-will-mehr- huerden-vor-volksabstimmung.php: 30.5.2012) 53 1 Mehr direkte Demokratie – ja oder nein? Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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