Zeitbilder 8, Schulbuch

4. Die erste Große Koalition Vom VdU zur FPÖ Mit den Wahlen im Jahre 1949 zog eine vierte Partei in den Nationalrat ein: Der erst im selben Jahr gegrün- dete VdU (= Verband der Unabhängigen) schaffte auf Anhieb 16 Mandate. Sein relativ hoher Stimmenanteil von 12 Prozent erklärt sich damit, dass bei diesen Wah- len erstmals auch die ehemaligen „minderbelasteten“ Nationalsozialisten (ca. eine halbe Million Personen) stimmberechtigt waren. Und diese neue Partei war das Sammelbecken des „nationalen Lagers“. Bereits im Jahr 1955 kam das Ende des VdU: In sei- nem Programm stand nämlich: „Österreich ist ein deut- scher Staat. Seine Politik muss dem ganzen deutschen Volk dienen“. Das war mit dem Staatsvertrag und dem Neutralitätsgesetz nicht vereinbar. Aus den Resten des VdU entstand im Jahr 1956 die Freiheitliche Partei Ös- terreichs (FPÖ). Sie bekannte sich zwar auch zur „deut- schen Volks- und Kulturgemeinschaft“, aber ebenso un- eingeschränkt zur „Eigenstaatlichkeit Österreichs“. Große Koalition und Beginn der „Sozialpartnerschaft“ Die Kommunisten hatten bei den Wahlen 1949 ihr bes- tes Resultat in der gesamten Zweiten Republik erzielt (fünf Mandate). Sie blieben damit aber im Parlament bedeutungslos. Kanzler Leopold Figl als Vertreter der mandatsstärksten Partei (ÖVP) und Vizekanzler Adolf Schärf (SPÖ) führten die 1947 begonnene Große Koali- tion weiter fort. Trotz der Währungsreform (vgl. S. 12) war die Inflation nach wie vor ein großes Problem für die österreichische Wirtschaft. Dazu kam noch, dass die Lebenshaltungs- kosten deutlich höher stiegen als die Löhne. Dies führ- te zu einer noch stärkeren Bindung von ÖVP und SPÖ: Ab 1947 kam es zur Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und der Bundeswirtschaftskammer (BWK). Die beiden Präsiden- ten Johann Böhm (ÖGB) und Julius Raab (BWK) verein- barten ein „1. Preis- und Lohn-Abkommen“ zur Stabi- lisierung der Wirtschaft und begründeten damit die bis heute bestehende „Sozialpartnerschaft“ (vgl. S. 46 f.). Der drohende Generalstreik – ein Putschversuch? Ende September 1950 war zur Inflationsbekämpfung bereits das „4. Preis- und Lohn-Abkommen“ beschlos- sen worden. Es bedeutete eine neuerliche Belastung für die Arbeitnehmer/innen, da die „Preis-Lohn-Schere“ immer größer wurde. Mehr als 100000 Arbeitnehmer/ innen nahmen an Streiks und Protestdemonstrationen teil, in Ostösterreich gab es auch Straßen- und Eisen- bahnblockaden. Schließlich riefen die Kommunisten für den 4. Oktober zum Generalstreik auf. Regierung und ÖGB-Führung erklärten den Streikaufruf als Versuch, „die Demokratie zu stürzen“. Polizei und gewerkschaftliche Gegengruppen unter Führung des späteren Innenministers Franz Olah räum- ten vor allem in Wien und Niederösterreich die von kommunistischen Streikkommandos und Störtrupps er- richteten Barrikaden, die besetzten Elektrizitätswerke und Bahnhöfe. Bereits nach zwei Tagen war der Streik Bearbeite die beiden Plakate nach der Me- thode „Plakate untersuchen“ (auf S. 52 f. in Zeitbilder 7). W  Links: Wahlplakat der ÖVP 1949 (Fritz Kern/ Österr. Nationalbiblio- thek /picturedesk.com ); Rechts: Wahlplakat der SPÖ 1949 (Wienbiblio- thek im Rathaus, Pla- katsammlung, Signatur P-1290). 18 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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