Zeitbilder 8, Schulbuch
4.6 Afghanistan – ein vorübergehender „Gottesstaat“? Die sowjetische Intervention und ihr Scheitern In den 1970er-Jahren fanden in Afghanistan Umstürze statt. 1973 stürzte ein Putsch des Militärs König Zahir Shah. Der König ging ins Exil und Afghanistan wurde Republik. 1978 putschte die kommunistisch orientier- te „Demokratische Volkspartei“ mithilfe ihr nahe ste- hender Offiziere. Dieser Putsch, von manchen auch als Revolution bezeichnet, führte zur Errichtung der „De- mokratischen Republik Afghanistan“ und eines kom- munistischen Regimes. Dagegen bildeten sich bald Widerstandsbewegungen. Um das Regime zu halten, intervenierten im Dezember 1979 sowjetische Truppen. Gegen das Regime und die sowjetische Besatzungs- macht führten verschiedene islamische Gruppen einen jahrelangen Krieg. Sie wurden vom US-Geheimdienst CIA und „Gotteskriegern“ aus arabischen Ländern – wie z. B. Osama Bin Laden aus Saudi-Arabien – unter- stützt. Die großen Verluste, die enormen Kosten sowie die wachsende Ablehnung des Krieges in der sowjeti- schen Öffentlichkeit führten im Zuge von Gorbatschows Reformprogramm 1989 zum Rückzug der sowjetischen Armee aus Afghanistan. Viele sprechen in diesem Zu- sammenhang auch vom „Vietnam der Sowjetunion“. Der Krieg in Afghanistan geht weiter Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen ging der Krieg der islamischen Mudschaheddin gegen das nach wie vor kommunistische Regime weiter. Erst 1992 wurde die Regierung gestürzt – die siegreichen Mud- schaheddin proklamierten eine „Islamische Republik Afghanistan“. Die verschiedenen Gruppen der Sieger standen sich aber verfeindet gegenüber. Erst 1994/95 ermöglichte ein Friedensschluss die Bildung einer Ko- alitionsregierung, die allerdings bald wieder auseinan- derbrach. In die erneut ausgebrochenen Kämpfe griffen jetzt auch erstmals die von Pakistan unterstützten Tali- ban ein. Die Taliban erobern die Macht 1996 eroberten die Taliban die Hauptstadt Kabul und er- richteten das „Islamische Emirat Afghanistan“, in dem ab nun die Scharia galt. Die Meinungs-, Presse- und die Versammlungsfreiheit wurden drastisch eingeschränkt. Frauen und Mädchen wurden von der Arbeitswelt, von den Bildungseinrichtungen, aber auch von medizini- scher Versorgung ausgeschlossen. Das Taliban-Regime beherrschte allerdings nicht den Norden des Landes. Diesen kontrollierte eine Allianz verschiedener Mud- schaheddin-Gruppen (= Nord-Allianz). Afghanistan – ein Zentrum der Al Qaida Schon 1998 beschossen die USA mit Raketen Ausbil- dungslager der Terrororganisation Al Qaida in Afgha- nistan. Sie verlangten auch die Auslieferung Osama Bin Ladens, der zu diesem Zeitpunkt der meist gesuch- te Terrorist war. Ihm wurden nämlich bereits mehre- re schwerwiegende Terrorakte, z. B. in Somalia, erste Sprengstoffanschläge auf das World Trade Center in New York u. a. zur Last gelegt. Als das Taliban Regime die Auslieferung Bin Ladens verweigerte, verhängte die UNO ab 1999 mehrmals Sanktionen gegen das Land. Reaktionen des Taliban-Regimes In der Bevölkerung regte sich zunehmend Widerstand gegen das Taliban-Regime. Zusätzlich zu den Beschrän- kungen des alltäglichen Lebens verfügte die Regierung die Verringerung des Opiumanbaus. Dies führte zu Kämpfen zwischen örtlichen Taliban-Kommandanten und regierungstreuen Taliban-Truppen. Denn die Ein- nahmen aus der Opiumproduktion dienten beiden als bedeutende Einnahmequelle. Der langjährige Druck der internationalen Staatengemeinschaft – Afghanistan erzeugte rund drei Viertel der Opiumproduktion – ver- anlasste schließlich das Taliban-Regime im Juli 2000, ein vollständiges Verbot des Anbaus von Mohn zur Opiumgewinnung zu erlassen. Bauern, die das Verbot umgingen, wurden verhaftet, und die Labors zerstört. Diese Maßnahme trug dem Taliban-Regime das Lob der UNO ein. W Die großartigen Buddha-Statuen von Bamian (Foto 1996) wurden 2001 gesprengt. Dieser Vandalenakt erfolgte auf Anweisung des obers ten Regierungsführers der Taliban, Omar, wonach die Darstellungen menschlicher Körper zu zerstören seien. Proteste von Regierungen und Organisationen aus Staaten mit mehrheitlich buddhistischer Bevölke- rung (Sri Lanka, Thailand, Vietnam) blieben ebenso erfolglos wie solche der UNO, prominenter islamischer Geistlicher und im Exil lebender af- ghanischer Intellektueller. Beurteile den symbolischen Charakter der Zerstörung der beiden Buddha-Statuen. Erörtere, wie Religionsgemein- schaften auf die Zerstörung bzw. Verunglimpfung ihrer religiösen Symbole reagieren. 110 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv
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