Zeitbilder 8, Schulbuch

M6 Der bekannte algerische Schriftsteller Boualem Sansal meint anlässlich eines Treffens von arabischen und isra- elischen Schriftstellern in Jerusalem (13.–17. Mai 2012) zum Konflikt zwischen Israel und der arabischen Welt: Frage: Sie sind nach Israel gereist. Warum? Sansal: Ganz einfach, weil ich eingeladen worden bin. Das war für mich eine außerordentliche Gelegenheit. Ich finde es völlig normal, dass sich arabische und israe- lische Schriftsteller treffen. Sie machen das ständig, nicht in den arabischen Ländern und auch nicht in Is- rael, aber in den USA, in Frankreich, in Deutschland. Warum also nicht in Israel? Es muss immer jemand den ersten Schritt tun. Ich hoffe, dass dies weitere Besuche von Arabern in Israel und von Israelis in der arabischen Welt zur Folge hat. Damit können wir vielleicht etwas zum Frieden zwischen Israelis und Palästinensern beitragen. Die Kritik (an meinem Be- such) kam vor allem von Seiten der Islamisten und von Intellektuellen, die sich stark für die Palästinen- ser engagieren. Für diese Leute bin ich ein Verräter, ein Söldner, was weiß ich. Doch wer etwas zum Frie- den zur Begegnung zwischen Völkern und Menschen beitragen will, darf sich nicht mit kleinen häuslichen Problemen der einen oder anderen Seite aufhalten. Wenn wir immer nur Angst haben und nichts tun, wird alles bleiben, wie es ist. (…) Frage: Was ist die Lösung? Eine Wohngemeinschaft im gleichen Haus? Zwei Häuser? Sansal: Ich glaube, die einzige Lösung sind zwei Häuser, in einem Haus zusammenleben, ist nicht mehr möglich. (Sansal, Islamismus ist eine echte faschistische Ideologie. In. Der Standard, 10.7.2012, S. 5) M7 Über die Rolle der UNO im Nahostkonflikt schreibt der Journalist Gil Yaron: (…) in Syrien herrscht kein Bürger-, sondern ein Stellvertreterkrieg. Das Land ist für internationale Akteure im Nahen Osten wie Russland, den USA, Saudi-Arabien, den Iran und Israel zu wichtig, um sein Schicksal den Bürgern oder der UNO zu überlas- sen. In ganz Nahost kämpfen proamerikanische Kräf- te gegen den Iran und seine Verbündeten. Politische Auseinandersetzungen sind Nullsummenspiele: Was der eine gewinnt, verliert der andere. Die UNO ist in solchen Konflikten machtlos. Beson- ders, wenn die Rivalen von Vetomächten des Weltsi- cherheitsrates gestützt werden. Annans [= Kofi An- nan, früherer Generalsekretär der UNO; Anm. d. A.] Initiativen hatten dieselben Erfolgsaussichten wie der Versuch, den israelisch-palästinensischen Kon- flikt beizulegen. (Yaron, UNO ist in Nahost machtlos. In: Salzburger Nachrichten, 4.8.2012, S. 5) M8 Der ägyptische Schriftsteller Alaa al-Aswani schreibt über das Verhältnis zwischen dem Westen und der arabischen Welt: (…) eine Welle des Hasses gegen Araber und Musli- me überspült zurzeit den gesamten Westen. Gleich- zeitig wird der Begriff „Westen“ in der Arabischen Welt häufig verallgemeinert. Westliche Politik, die die schlimmsten Diktaturen unterstützte und zur Be- setzung und Zerstörung des Iraks führte, wo, unter dem Vorwand der Errichtung von Demokratie, eine Million Menschen umkamen, trug dazu bei, dass man in der Arabischen Welt glaubt, dass der Westen den Arabern und Muslimen feindselig gegenüber- steht. Niemand wird hier erwähnen, dass der Wes- ten mehr ist als Summe seiner Regierungen und dass die westliche Zivilisation auch für anderes steht als für die staatliche Politik. Niemand wird erwähnen, dass jener Westen, der George W. Bush und Tony Blair hervorgebracht hat, derselbe Westen ist, dem die Welt auch Shakespeare, Voltaire und Rousseau verdankt; dass der Westen, der den Kolonialismus in die Arabische Welt getragen hat, derselbe Wes- ten ist, in dem die Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten entwickelt wurden. Niemand wird erwähnen, dass die Demonstrationen gegen die Invasion des Iraks in westlichen Hauptstädten um vieles größer waren als in der islamischen Welt. Aber eben, ein Stereotyp hat endgültig und klar zu sein. Erstaunlich dabei ist, dass die Extremisten auf beiden Seiten derselben Logik folgen. Wenn weiße Rassisten die Araber für weniger fähige und weniger intelligente Geschöpfe halten, für gewalttätiger und blutrünstiger, so denken viele muslimische Extremis- ten, dass alle Menschen im Westen den Islam hassen und sich auf die eine oder andere Weise gegen ihn verschworen haben. Das Problem ist ein wechselsei- tiges. (…) Wir haben die Pflicht, einander in die Au- gen zu sehen und miteinander zuerst als Menschen zu kommunizieren. Dann wird uns klar werden, dass wir zwar verschiedene Religionen oder Hautfarben haben mögen, dass wir aber zunächst alle Menschen sind, mit den gleichen Gefühlen und Ideen. (…) (al-Aswani, Im Land Ägypten. Am Vorabend der Revolution, 2011, S. 9–10) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Analysiere die UN-Resolution 181 (M2) zur Teilung von Palästina und auch in Bezug auf das Verhältnis der zu er- richtenden Staaten zueinander. Ziehe dazu auch die Karte (M3) heran. Vergleiche diesen Teilungsvorschlag mit der Unterstützungserklärung Balfours an Lord Rothschild (M1). Versuche wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. 2. Vergleiche die Textstellen M4, M5 und M6 darauf hin, welche Probleme u. a. zwischen Israelis und Palästinen- sern gegenwärtig aktuell sind. Arbeite die Argumente her- aus, die für eine Zweistaatenlösung angeführt werden. Denke dabei auch an die UNO-Resolution 181. 3. Arbeite anhand der Textstelle M7 aktuelle Probleme im Nahen und Mittleren Osten heraus. Beurteile sie hinsicht- lich ihrer regionalen bzw. weltpolitischen Bedeutung. 4. Fasse die Aussagen zusammen, die der Schriftsteller al-Aswani in M8 über die Wahrnehmungen von Arabern gegenüber dem Westen und umgekehrt trifft. Diskutiere diese und beurteile den Lösungsvorschlag, den al-Aswani beschreibt. 107 3 Naher und Mittlerer Osten Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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