Zeitbilder 8, Schulbuch

4.2 Religion und Öl – die Krise am Golf Islamischer Fundamentalismus im Iran Im Iran regierte Schah Resa Pahlewi (1941–1979) auto­ ritär. Er verfolgte eine prowestliche Politik. Um der wachsenden Unzufriedenheit der Bevölkerung über die wirtschaftlichen Missstände zu begegnen, wurde mit ei- ner Landreform begonnen. Diese stieß auf den heftigen Widerstand der Großgrundbesitzer, der Stammesführer und der schiitischen Geistlichkeit, die die Besitzungen der religiösen Stiftungen gefährdet sah. Die Landreform scheiterte. Der größte Teil der Einnahmen aus dem Erd- ölexport floss in die Aufrüstung und kam nur einer klei- nen Oberschicht zugute. Allgemeiner Unmut und Mas- sendemonstrationen waren die Folge. Das Regime ant- wortete mit Unterdrückungsmaßnahmen durch den Ge- heimdienst. Dadurch gerieten große Teile der iranischen Gesellschaft in Opposition zur Regierung. 1979 zwang schließlich eine unter religiösen Vorzeichen abgelaufe- ne Revolution den Schah zum Verlassen des Landes. Der aus dem Exil in Paris heimgekehrte schiitische Geistliche Ajatollah Khomeini konnte die Revolution für seine fundamentalistischen Ziele nutzen. Er konnte sich auf eine breite Zustimmung der iranischen Bevöl- kerung stützen. Über die Zielsetzungen des islamischen Fundamentalismus: L Seit der Mitte der 70er-Jahre hat das Wiederer- wachen des Glaubens in der islamischen Welt ungeahnte Ausmaße angenommen: Die „verschiede- nen“ Reislamisierungs-Bewegungen symbolisieren – über ihre Unterschiede hinaus – einen Protest, einen Bruch mit der westlichen Gesellschaft. (…) Sie stellen sich gegen einen Islam, der sich kompro- mittiert und an eine moderne Welt anpasst, die von der Säkularisierung getragen wird, sie bekräftigt ih- ren Willen, ein goldenes Zeitalter des Islam wieder auferstehen zu lassen, und ihre offen bekundete oder auch versteckte Parole lässt auch nicht den gerings- ten Zweifel zu: „Der Koran ist unsere Verfassung.“ (Étienne, Fundamentalismus oder: Saddam und die Fackel des Islam, 1991, S. 26) Khomeini errichtete im Iran einen Staat der schiitischen Geistlichen (Mullahs), der sich streng an den Regeln des Koran orientierte. Dieser wurde zur alleinigen Basis der Verwaltung, der Rechtsprechung und der Sitten. Auf dieser Grundlage wurden – für westliches Denken – äu- ßerst reaktionäre Maßnahmen gesetzt, wie z. B. öffent- liches Auspeitschen, Verstümmeln und Hinrichten von Gesetzesbrechern oder etwa die Verbannung der Frau aus dem öffentlichen Leben, die sich überdies strengen Bekleidungsvorschriften unterwerfen muss. Khomeini starb 1989. Danach hoffte die Opposition auf Reformen. In Auseinandersetzungen um die politisch- kulturelle Ausrichtung des Landes setzten sich jedoch die konservativen Kräfte durch. Im Jahr 2009 schließ- lich kam es zu einem massiven Ausbruch des Unmuts. Anlass für Proteste waren die Wahlen zum Präsidenten, die der seit 2005 an der Macht befindliche Ahmadined- schad gewann. Ihm wurden Behinderung der Oppositi- on und Wahlbetrug vorgeworfen. An Demonstrationen beteiligten sich sehr viele junge Menschen. Sie orga- nisierten sich über Internet und informierten darüber auch die Weltöffentlichkeit. Polizeikräfte und von der Regierung bezahlte Gewalttäter unterdrückten die Pro- teste, was zahlreiche Tote zur Folge hatte. Weltpolitisch und insbesondere in Israel erregt das Atomprogramm des Iran große Besorgnis. Man fürchtet, dass der Iran über atomare Waffen verfügen wird. Trotz W  Mit dem „Tschador“, dem traditionellen islamischen Schleier, ver­ hüllte und mit Gewehren bewaffnete Polizistinnen in Teheran (Presse- foto der European Pressphoto Agency, 12. März 2005). Unter dem ame- rikafreundlichen Schah gehörten die iranischen Frauen noch zu den emanzipiertesten des Nahen Ostens. Nach der Revolution des Ajatol- lah Khomeini wurden sie zunehmenden Beschränkungen unterworfen: Make-up und westliche Moden wurden angeprangert, der Umgang mit Männern außerhalb der engeren Familie missbilligt und die Zulassung zum Studium und akademischen Berufen eingeschränkt. W  Nach den Iranischen Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 gab es in Teheran und in weiteren iranischen Städten öffentliche Proteste und Demonstrationen gegen das Wahlergebnis. Die iranische Opposi- tion warf Ahmadinedschad massiven Wahlbetrug vor. Das Pressefoto der Agence France-Presse vom 15. Juni 2009 zeigt eine Demonstration zugunsten des geschlagenen Präsidentschaftskanditaten Mir Hossein Mousavi. 102 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=