Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Doch diese Offiziere bekamen weder Unterstützung aus dem Ausland, noch konnten sie sich innerhalb der Wehrmacht durchsetzen. Erst als im Sommer 1944 die alliierten Armeen an den Grenzen Deutschlands standen, entschlossen sich hohe Offiziere der deutschen Wehrmacht zum Staatsstreich („Operation Walküre“). Sie wollten dem Krieg, der nicht mehr zu gewinnen war, ein Ende bereiten und damit weitere Opfer an Menschenleben und weitere Zerstö- rungen verhindern. Oberst Stauffenberg gelang es am 20. Juli 1944, im streng bewachten Führerhauptquartier „Wolfschanze“ in Ostpreußen, bei einer Besprechung mit Hitler eine Tasche mit einer Zeitbombe zu hinter- legen. Nachdem Stauffenberg nach Berlin zurückge- kehrt war, wurden sofort wichtige nationalsozialistische Funktionäre gefangen genommen und militärische Schaltstellen besetzt. Doch Hitler wurde bei der Explo- sion nur leicht verletzt und nahm sofort telefonischen Kontakt mit Goebbels auf. Dieser ließ die Verschwö- rer – unter ihnen auch einen engen Mitarbeiter Stauf- fenbergs, den Linzer Oberstleutnant Bernardis – durch das loyal gebliebene Wachbataillon sofort verhaften. Ein Teil der Verschwörer wurde noch am gleichen Tag standrechtlich erschossen, der andere Teil zum Tode verurteilt, gefoltert und an Fleischerhaken aufgehängt. Durch die Niederschlagung dieses Widerstandes war es auch nicht mehr möglich, den Krieg früher zu beenden. Erst in der Endphase 1945 konnte vor allem österreichi- scher Widerstand wirksam werden. Widerstand in Österreich In den von Nazi-Deutschland besetzten Ländern be- stand gegenüber den Deutschen ein klares Feindbild. Kollaborateure waren isoliert und geächtet. L In Österreich hingegen hatten die Widerstands- kämpfer nicht zuletzt Österreicher zum Gegner, in einer von Denunzianten und fanatischen Regime- anhängern durchsetzten Umwelt zu wirken, gegen einen perfekt organisierten Terrorapparat und eine gigantische Propagandamaschinerie anzukämpfen. (Neugebauer, Zwischen Kollaboration und Widerstand, o. J., S. 28) Nach der kampflosen Besetzung Österreichs durch die deutsche Wehrmacht im März 1938 war die Organisie- rung eines Widerstandes schwierig: L Der nazistische Siegestaumel hatte (...) breite, weit über die NS-Sympathisanten hinausgehende Kreise der Bevölkerung erfasst. Auch viele, die dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstanden und später in den Widerstand gingen, wollten erst abwarten, was das neue Regime in der Praxis bringt. (Neugebauer, Widerstand und Opposition, 2002, S. 189) Außerdem wollten die Nationalsozialisten nach dem „Anschluss“ alle mutmaßlichen Gegner möglichst schnell ausschalten: Innerhalb weniger Wochen wurden etwa 50000 bis 75000 Funktionäre der Vaterländischen Front, Kommunistinnen und Kommunisten, Sozialistin- nen und Sozialisten, bekannte „Antinazis“ sowie Jüdin- nen und Juden verhaftet. Während ein Großteil der nie- deren Funktionäre bald entlassen wurde, wurden die wichtigeren politischen Gegner sowie die Jüdinnen und Juden in die Konzentrationslager eingeliefert. Tausende weitere Gegner entzogen sich der Naziherrschaft durch (erzwungene) Flucht und konnten aktiven Widerstand höchstens aus dem Exil leisten. Erkläre, weshalb beim österreichischen Widerstand das nationale Motiv lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle spielte. Welche Widerstandskräfte gegen den Nationalsozialismus bestanden schon vor 1938? Widerstand der Frauen Häufig wird der weibliche Anteil am Widerstand ver- gessen. Nicht selten haben junge Mädchen an der Seite ihrer Väter oder Brüder, verheiratete Frauen oft mit ih- ren Ehegatten am Widerstand teilgenommen. Vor Ge- richt waren Frauen und Männer derselben gnadenlosen Justiz ausgeliefert, die „unerbittlich zu vernichten“ und nicht zu richten hatte. Das Todesurteil über die Salzbur- ger Näherin Rosl Hofmann steht für viele andere: Q Die Angeklagte hat in einer für eine Frau außer- ordentlich fanatischen und gefährlichen Weise versucht, auf den Geist der deutschen Soldaten Ein- fluss zu gewinnen. (…) Sie muss, damit das deutsche Volk lebt, (…) fallen. (Spiegel, Frauen und Mädchen im österreichischen Widerstand, 1967, S. 10) Der „Fall Jägerstätter“ Wie die Mitmenschen auf offene Gegner des National- sozialismus reagierten, zeigt die Geschichte des Inn- viertlers Franz Jägerstätter. Bei der „Anschluss“-Volks- abstimmung am 10. April 1938 stimmte er als einziger seines Dorfes mit „Nein“ und wurde damit sofort zum Außenseiter: W Der Innviertler Wehr- dienstverweigerer Franz Jägerstätter (undatierte Aufnahme). 94 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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