Zeitbilder 7/8, Schulbuch

dertelang der Diskriminierung und Verfolgung ausge- setzt. Immer wieder wurden sie beschuldigt, nicht er- ziehbar, arbeitsscheu und asozial zu sein; aber auch ihre zum Teil nomadisierende Lebensweise wurde ihnen zum Vorwurf gemacht. Grausamer Höhepunkt dieser Verfolgung war das Vernichtungsprogramm der Nati- onalsozialisten: Bis zu einer halben Million Roma und Sinti kamen in eigens errichteten „Zigeunerlagern“, in Ghettos und in den Vernichtungslagern ums Leben. Von den etwa 11000 österreichischen Roma und Sinti haben nur knapp ein Drittel überlebt. Ihr Schicksal ist insgesamt nur schlecht dokumentiert, weil die Roma und Sinti bis vor kurzem ihre Geschichte nur münd- lich überliefert haben. Sie trugen diese nie nach außen, nicht zuletzt aus Angst und Scheu vor einer zum Teil feindlich eingestellten Öffentlichkeit. Erst nach 1980 wurden den Roma und Sinti Gedenk- stätten errichtet. Denn die Vorurteile und Ablehnung diesen Volksgruppen gegenüber blieben aufrecht. Sie wurden lange Zeit nicht einmal als Opfergruppe aner- kannt und erhielten daher auch keine finanzielle „Wie- dergutmachung“ für ihr erlittenes Leid. „Auschwitzlüge“… Die Ermordung von Millionen Jüdinnen und Juden in den Gaskammern der Vernichtungslager Auschwitz- Birkenau, Treblinka, Sobibor u. a. erscheint unfassbar und unvorstellbar. Es ist jedoch eine bittere Wahrheit, die durch viele Quellen bezeugt ist. Der KZ-Komman- dant von Auschwitz, Rudolf Höß, stellte eine Rechnung auf, dass er mittels Gaskammern und Verbrennungsan- lagen 10000 Menschen in einem Zeitraum von 24 Stun- den umbringen könne. Etwa seit 1970 gibt es eine Gruppe angeblicher Histori- ker (so genannte Revisionisten), die diese entsetzlichen Tatsachen verharmlosen, beschönigen oder überhaupt leugnen. Dieser Revisionismus ist international – franzö- sische, britische, amerikanische Autoren zählen ebenso dazu wie deutsche und österreichische. So erklärt der Franzose Robert Faurisson: „Es hat nie Vernichtungs- Gaskammern bei den Deutschen gegeben, weder in Auschwitz noch in irgendeinem anderen Lager (...). Der Historiker Henri Amouroux hat wiederholt gesagt, dass bezüglich der Geschichte des 2. Weltkrieges Lü- gen, viele Lügen verbreitet wurden. Ich kann ihm darin nur zustimmen. Die Legende der Gaskammern ist eine schlechte Lüge.“ (Honsik, Freispruch für Hitler?, 1988, S. 43 ff.) Schon die SS-Männer versuchten, die Spuren ihrer un- geheuren Verbrechen zu vernichten – allerdings erfolg- los. Denn es konnten von den ehemaligen Häftlingen eindeutige Dokumente vor der Vernichtung gerettet werden. Dazu kommen noch die vielen mündlichen Be- richte der Überlebenden aus den verschiedenen Lagern. Eine andere Gruppe von Verteidigern des Nationalsozi- alismus behauptet, die Gaskammern und Krematorien seien erst nachträglich von den Russen erbaut worden. Eine absurde Idee! Allein schon deshalb, da die Sowjets gegenüber dem besiegten Deutschland keine Propa- ganda nötig hatten. Außerdem existieren exakte Pläne über die Vernichtungsanlagen. … „Mauthausenlüge“ Im Jahr 1987 wurde in einer österreichischen, neonazis- tischen Zeitschrift ein angebliches „Dokument“ eines „Militärpolizeilichen Dienstes“ aus dem Jahr 1948 ver- öffentlicht. Darin wird behauptet: „Die Alliierten Unter- suchungskommissionen haben bisher festgestellt, dass in folgenden Konzentrationslagern keine Menschen mit Giftgas getötet wurden: Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau (…), Mauthausen und Nebenlager ...“ (Bailer- Galanda, Das sogenannte Lachout-„Dokument“; in: Amoklauf gegen die Wirklichkeit. NS-Verbrechen und „revisionistische“ Geschichtsschreibung, 2. Aufl. 1992, S. 76). Österreichische Zeithistoriker/innen wiesen ein- deutig nach, dass das vom Wiener Emil Lachout vorge- legte „Dokument“ ein plumper Fälschungsversuch war. Sein Ziel war offensichtlich: nämlich die Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen! Dieses „Dokument“ gegen die „Mauthausenlüge“ wurde dennoch in verschiedenen rechtsextremen Zeit- schriften und Flugblättern weiterhin für neonazistische Propaganda verwendet: „Die Mauthausenlüge hatte den Zweck, den Anschluss vom 13. März 1938 zu kri- minalisieren. Jenen Tag, da die Liebe über die Zwie- tracht siegte! Da der uralte Traum aller politischen La- ger Österreichs in Erfüllung ging. Nämlich die Heim- kehr ins Reich (...).Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Erinnerung an diesen Tag mit der Mauthausenlüge beschmutzt wird.“ (Wodak/de Cillia, Sprache und Anti- semitismus, 1988, S. 18) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Beschreibe den rassischen Antisemitismus der National- sozialisten und seine Ausformungen von Diskriminierung bis zur industriellen Vernichtung der jüdischen Bevölke- rung in Europa. 2. Erkläre die Begriffe „Auschwitzlüge“, „Mauthausenlü- ge“, Revisionisten. W Verbrennungsöfen in Auschwitz, Fotografie 1995. Das Vernichtungs­ lager vermittelt noch heute Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt ein Bild des Grauens. 91 3 Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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