Zeitbilder 7/8, Schulbuch

(...). Die Tür wurde nun schnell zugeschraubt und das Gas [das Blausäurepräparat Zyklon B] sofort (...) in die Einwurfluken durch die Decke der Gas- kammer in einen Luftschacht bis zum Boden ge- worfen. Dies bewirkte die sofortige Entwicklung des Gases (...). Man kann sagen, dass ungefähr ein Drittel sofort tot war. Die anderen fingen an zu taumeln, zu schreien und nach Luft zu ringen. Das Schreien ging aber bald in ein Röcheln über und in wenigen Minuten lagen alle. Nach spätestens 20 Minuten regte sich keiner mehr (...). Eine halbe Stunde nach dem Einwurf des Gases wurde die Tür geöffnet und die Entlüftungsanlage eingeschaltet. Es wurde sofort mit dem Herausziehen der Leichen begonnen (...). Den Leichen wurden nun durch die Sonderkommandos die Goldzähne entfernt und den Frauen die Haare abgeschnitten. Hiernach (wurden sie) durch den Aufzug nach oben gebracht vor die inzwischen angeheizten Öfen (...). (Höß, Autobiographische Aufzeichnungen, 1963, S. 133 f.) Neben 6 Millionen europä- ischen Jüdinnen und Juden fielen auch Hunderttausende Angehörige anderer Men- schengruppen der national- sozialistischen Vernichtung zum Opfer, wie z. B. Roma und Sinti, Polen, Russen, po- litische Gegner (darunter besonders viele Kommunis- ten), die Zeugen Jehovas, die konsequent den Wehrdienst verweigerten, sowie Homose- xuelle. Das erste Vernichtungspro- gramm wurde von den Na- tionalsozialisten bereits seit 1939 durchgeführt: Es betraf die „Ausmerzung unwerten Lebens“, die als Euthana- sie (= Sterbehilfe) getarnte Ermordung von ca. 100000 Menschen mit Behinderung sowie unheilbar Kranken jeg- lichen Alters. In Österreich wurde sie in großem Aus- maß in Schloss Hartheim (Oberösterreich), aber auch in so genannten Genesungsheimen oder Krankenhäusern, wie am berühmt-berüchtigten Spiegelgrund in Wien, durchgeführt. Roma und Sinti – die Vernichtung einer (fast) vergessenen Minderheit Die Minderheit der Roma und Sinti zählt in der Ge- genwart etwa 12 Millionen Angehörige, verteilt auf ganz Europa. Diese Volksgruppen sind schon seit dem Mittelalter aus Indien abgewandert. In Österreich, wo sich Roma bereits seit dem 14. Jahrhundert urkundlich nachweisen lassen, gab es vor 1938 drei Gruppen: die Burgenland-Roma, die schon im 18. Jh. unter Maria Theresia zur Sesshaftigkeit gezwungen wurden; die Lo- vara, die im 19. Jh. aus Ungarn und der Slowakei zuge- zogen sind; die Sinti, die vor dem Ersten Weltkrieg aus Deutschland zugezogen sind. Als so genannte „Zigeuner“ waren sie schon jahrhun- W Tor des Vernichtungslagers Auschwitz. Wie bei allen Konzentrationslagern stand über dem Eingangstor „Arbeit macht frei“ (Fotografie vom 1.Februar 1995). W Nach der Befreiung durch amerikanische Soldaten 1945 im Lager Mauthausen (Oberösterreich). W Eine Gruppe von Roma und Sinti im Konzentrationslager Belzec (Po- len), Foto um 1942. 90 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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