Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Die Friedensregelung – Grundlage künftigen Friedens? Im Jänner 1919 eröffneten die Siegerstaaten die Frie- denskonferenz von Paris. Da die Friedensverträge in den Schlössern vor Paris abgeschlossen wurden, nennt man sie auch „Vororteverträge“. Die Vertreter der Mittelmächte blieben von den mona- telangen Verhandlungen ausgeschlossen. Alle wichti- gen Fragen wurden von den Siegerstaaten Frankreich, Großbritannien, Italien und USA entschieden. Bei den Siegermächten bestanden zwar viele gemeinsame Vor- stellungen über die Regelung des Friedens, aber es gab auch große Interessensunterschiede. Das Hauptanliegen des amerikanischen Präsidenten Wilson war die Schaf- fung des Völkerbundes, in anderen Fragen musste er daher Kompromisse schließen. Frankreich setzte sei- ne Interessen in den Friedensverträgen durch, nämlich die wirtschaftliche Schwächung und Entmilitarisierung Deutschlands sowie Entschädigung für das schwer kriegsversehrte Frankreich. Großbritannien versuchte, die französische Haltung zu mildern und Volksabstim- mungen durchzusetzen, wo Gebietsabtretungen vorge- sehen waren. Italien trachtete danach, Gebiete von Ös- terreich und Jugoslawien zu gewinnen. Die wichtigsten Bestimmungen der Friedensverträge: Vertrag von Versailles mit Deutschland: –– Abtretung von Elsass-Lothringen an Frankreich; von Posen, Westpreußen und später auch – trotz Volks- abstimmung – von Oberschlesien an Polen; –– Entmilitarisierung des Rheinlandes; –– Völkerbundverwaltung im Saarland; die Kohlengru- ben fallen an Frankreich; –– Abtretung der Kolonien als Mandatsgebiete an den Völkerbund; –– Abrüstung auf ein Berufsheer von 100 000 Soldaten und Auslieferung des Kriegsmaterials; –– Wiedergutmachung der Kriegsschäden durch Sach- lieferungen; später Geldzahlungen festgesetzt. Vertrag von Saint-Germain mit Österreich: –– Anerkennung der Selbstständigkeit der „Nachfolge- staaten“; –– Gebietsabtretungen, darunter deutschsprachige Gebiete: Sudetenland und die deutschbesiedelten Gebiete Böhmens und Mährens, Südtirol, Teile der Untersteiermark, das Kärntner Mießtal, das Seeland und das Kanaltal; –– Verbot des Anschlusses an Deutschland; –– Abrüstung auf ein Berufsheer von 30 000 Soldaten. Vertrag von Trianon mit Ungarn: –– Abtretung von rund 70 Prozent des Territoriums an die Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien; –– Abrüstung auf 35 000 Soldaten. Vertrag von Neuilly mit Bulgarien: –– Abtretung von Gebieten an Griechenland (= Verlust des Zugangs zur Ägäis); –– Abrüstung auf 20 000 Soldaten. Vertrag von Sèvres mit der Türkei: –– Verlust der arabischen Gebiete; Abtretung der ägä- ischen Inseln und Smyrnas an Griechenland, von Rhodos an Italien; –– Internationalisierung der Meerengen. Vergleiche die Bestimmungen der Friedensverträge mit den 14 Punkten Wilsons. An welchen Bestimmungen des Versailler Vertrages sind die französischen Interessen spürbar? Welche Punkte werden Deutschland und Öster- reich als besondere Härten empfunden haben? Erläutere, warum die Verlierer die Friedensregelungen auch als „Diktatfrieden“ bezeichneten. In Österreich und Deutschland lösten die Bestimmun- gen der Verträge große Verbitterung und anhaltende Proteste aus. Forderungen nach Änderungen wurden von den Siegern jedoch abgelehnt. Die Vertreter der neu entstandenen Republiken, die für den Kriegsaus- bruch politisch nicht verantwortlich waren, mussten die Verträge aber unterschreiben. In Deutschland wurden vor allem die Forderung nach hohen Reparationszah- lungen und die Tatsache, dass Deutschland und seinen Verbündeten die alleinige Schuld am Ausbruch des Krieges gegeben wurde, entschieden abgelehnt. Die Revision (Zurücknahme) der harten Bedingungen des Versailler Vertrages war in der Weimarer Republik eine wichtige politische Forderung. Hitler erhob die Revisi- on des „Schanddiktates“, wie er den Versailler Vertrag nannte, zu einem seiner wichtigsten Programmpunkte. Der französische Historiker Jaques Bainville schrieb: L Der Vertrag nimmt Deutschland alles, außer der Hauptsache, dem politischen Dasein als Staat (...). Und was die Leidenschaften angeht (...), so ent- hält der Friedensvertrag alles, wessen es bedarf, um die Deutschen aufs Äußerste zu reizen (...). Der Ver- W Otto Dix: Triptychon „Der Krieg“, Mittleres Tafelbild, 1929/32 (Galerie Neue Meister, Dresden). Otto Dix nahm freiwillig am Ersten Weltkrieg teil. Diese traumatische Erfahrung bestimmte später sein Werk. Im Nationalsozialismus wurde sein Werk angefeindet, es wurde ihm „Wehrsabotage“ und „Verletzung sittlicher Gefühle“ vorgeworfen. 1937 wurden einige seiner Bilder in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. 9 Die Zwischenkriegszeit 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum de Verlags öbv

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