Zeitbilder 7/8, Schulbuch

den wurden gezwungen, streng isoliert von der übrigen Bevölkerung ihr Leben zu fristen. Das Zusammenleben fand auf engstem Raum unter katastrophalen sanitä- ren Bedingungen statt. Dies führte zusammen mit der ständigen Unterernährung (z. B. teilten die Deutschen im Warschauer Ghetto täglich nur 200 Kalorien pro Per- son zu) bald zu einem Massensterben. Davon waren auch viele Kinder betroffen, wie die Krankenschwester Adina Blady Szwajger aus dem Kinderkrankenhaus im Ghetto berichtet: Q Nach drei Wochen ging ich wieder (...) an meine Arbeit in der Typhusstation, wo wenigstens keine Kinder starben. Nur hatten wir nicht genügend Bet- ten für sie, sodass sie zu zweit, bisweilen gar zu dritt in einem Bett lagen, jedes mit einem kleinen Stück Heftpflaster auf der Stirn, das eine Nummer trug, damit wir die kleinen Patienten voneinander unter- scheiden konnten. Glühend vor Fieber, riefen sie in einem fort und verlangten zu trinken. Doch am Fleck- fieber starben sie nicht. Wir entließen sie, (...) denn täglich nahmen wir ein Dutzend neuer Kinder auf, so musste dieselbe Anzahl entlassen oder von „Ver- dacht“ auf „Sicher“ umgeschrieben werden, und die Krankenblätter der Typhusstation kamen schließlich in die Hände der Deutschen. Wir entließen die klei- nen Patienten, damit sie zu Hause an Hunger sterben oder mit aufgedunsenem Leib wiederkommen konn- ten, um hier die Gnade eines sanften Todes zu erfah- ren. So war es jeden Tag. (Szwajger, Die Erinnerung verlässt mich nie, 1993, S. 44) Auch in den später besetzten Gebieten Osteuropas wur- de die jüdische Bevölkerung in Ghettos zusammenge- pfercht. Hierher wurden auch Jüdinnen und Juden aus Österreich und Deutschland deportiert. Für viele dieser Menschen war dies aber nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die Vernichtungslager (ab 1942). Die Vernichtung der Juden in Osteuropa Bei einer Besprechung am 24. Februar 1941 erteilte Hitler Himmler und seiner SS den Auftrag, alle nötigen Vorbereitungen für die Vernichtung der Juden nach dem Einmarsch in die Sowjetunion zu treffen. Seit dem Sommer 1941 begannen spezielle Einsatzgruppen und Sonderkommandos von SS und Polizei in den besetz- ten Gebieten mit der systematischen Vernichtung der osteuropäischen Juden (bis Ende 1942: 910000 Opfer). Auch Roma und Sinti sowie politische Kommissare fie- len diesen Massenmorden – hauptsächlich durch Er- schießung – zum Opfer. Zur gleichen Zeit lief in Polen die „Aktion Reinhardt“ an: Unter strenger Geheimhaltung wurden unter Lei- tung des Österreichers Globocnik die Vernichtungs- lager errichtet. Da die bisher praktizierte Vernichtung durch Erschießungskommandos oder in Gaswagen zu umständlich erschien, wurde im September 1941 erstmals das Giftgas „Zyklon B“ an 600 sowjetischen Kriegsgefangenen „ausprobiert“. Es wurde schließlich zum am häufigsten eingesetzten Tötungsmittel. Bei einer Besprechung am 20. Jänner 1942 in einer Villa am Berliner Wannsee („Wannsee-Konferenz“) gab der Chef der Sicherheitspolizei, Reinhardt Heydrich, die Richtlinien für die Durchführung des Völkermordes an den europäischen Jüdinnen und Juden bekannt: Q Die Federführung bei der Bearbeitung der End- lösung der Judenfrage liege ohne Rücksicht auf geographische Grenzen zentral beim Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei (...). Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmög- lichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmi- gung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten (...). Unter entsprechender Leitung sollen im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kom- men (...). Unter Trennung der Geschlechter werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfäl- lig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müs- sen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist. (http://www.ns-archiv.de/verfolgung/wannsee/wannsee-konferenz. php; 30.6.2011) Der „Reichsführer SS“, Heinrich Himmler, verdeutlich- te an anderer Stelle die „Endlösung“ folgendermaßen: Q Wie ist es mit den Frauen und Kindern? – Ich habe mich entschlossen, auch hier eine ganz klare Lösung zu finden. Ich hielt mich nämlich nicht für berechtigt, die Männer auszurotten – sprich also W Warschau 1943. Vor dem Abtransport in die Vernichtungslager er­ hoben sich die Frauen und Männer des Warschauer Ghettos. Deutsche Einheiten schlugen den Aufstand nieder. Der Bericht eines SS-Befehls- habers nennt 56065 „nachweislich vernichtete Juden“. Er enthält auch dieses Bild. „Mit Gewalt aus den Bunkern hervorgeholt“, steht unter dem Bild (hier nicht abgedruckt). 88 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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