Zeitbilder 7/8, Schulbuch

§ 2. Außerehelicher Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes ist verboten. (…) § 5. Wer dem Verbot der § 1 und 2 zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft. (Reichsgesetzblatt 1935; in: Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jg. RGBl. 1867–1942, Stuttgart 1943) Im Jahr 1938 nahm der Antisemitismus immer schlim- mere Formen an: An Ortseingängen wurde plakatiert „Juden unerwünscht!“, auf Parkbänken stand zu lesen „Nur für Arier!“. Jüdinnen und Juden durften auch kei- ne öffentlichen Einrichtungen mehr benutzen. Außer- dem mussten sie seit dem Sommer Zwangsvornamen annehmen (Sarah, Israel) und in ihren Pass wurde ein „J“ gestempelt. Vom Novemberpogrom bis zur Deportation (1938–1941) Als ein junger polnischer Jude in Paris einen Angehöri- gen der deutschen Botschaft ermordete, nahmen dies Na- tionalsozialisten zum Anlass, um am 9. November 1938 eine landesweite, bis dahin unvorstellbare Judenverfol- gung durchzuführen (Novemberpogrom). Die National­ sozialisten bezeichneten dieses Pogrom verniedlichend als „Reichskristallnacht“ und sprachen von einem „spon- tanen Sühneakt“ des deutschen Volkes. In Wirklichkeit waren alle Aktionen von der Partei organisiert und an­ geordnet. Aus einem Bericht der Sicherheitspolizei geht hervor, dass 191 Synagogen in Brand gesteckt und wei- tere 76 vollständig demoliert wurden. Rund 20000 Jüdin- nen und Juden wurden festgenommen. Dazu wurden noch Tausende Geschäfte und Wohnhäu- ser zerstört oder in Brand gesteckt. Die jüdische Be- völkerung musste eine kollektive „Sühneabgabe“ von einer Milliarde Reichsmark zahlen. Nun begann auch die „Arisierung“ (= erzwungene Enteignung) jüdischer Geschäfte und jüdischen Grundbesitzes. Wer das Land verlassen wollte, konnte dies unter Verzicht auf sein Vermögen („Reichsfluchtsteuer“) noch tun. Allerdings waren viele Staaten nicht bereit, Jüdinnen und Juden aufzunehmen. Ab dem Frühjahr 1939 durften Jüdinnen und Juden nur noch isoliert von der übrigen Bevölkerung in eigenen Häusern bzw. Wohnungen leben. Mit Kriegsbeginn wurden die Maßnahmen weiter verschärft: Der Besitz von Autos, Rundfunkgeräten, später auch von Telefon- anschlüssen wurde ebenso untersagt wie das Halten von Haustieren. Es gab Ausgangsverbote, Lebensmit- tel durften nur noch in bestimmten Geschäften gekauft werden. Seit Herbst 1941 begannen die Nationalsozia- listen mit der systematischen, verniedlichend „Umsied- lung“ genannten Deportation der Jüdinnen und Juden in die nationalsozialistischen Vernichtungslager auf be- setztem polnischem Gebiet. Ihr gesamtes Vermögen fiel an das Deutsche Reich. Juden in Osteuropa müssen ins Ghetto (ab 1940) Schon Anfang 1940 richtete die deutsche Besatzungs- macht überall in Polen größere und kleinere Ghettos ein. Mehr als zwei Mio. polnischer Jüdinnen und Ju- W Selbstbildnis mit Judenpass, Gemälde von Felix Nussbaum, 1943. Nussbaum, ein jüdischer Deutscher, floh 1933 nach Belgien, wo er nach dem Einmarsch der deutschen Truppen illegal bei Freunden lebte. 1944 wurde er verhaftet, in ein Vernichtungslager geschleppt und ermordet. Auf seinem Bild trägt er den „Judenstern“, den alle Jüdinnen und Juden tragen mussten, und er zeigt seinen belgischen „Judenpass“, in dem seit Jänner 1939 verpflichtend für alle jüdischen Deutschen ein weiterer Vorname eingetragen wurde (Sarah für Frauen, Israel für Männer), au- ßerdem erhielt jede Kennkarte zudem den Buchstaben J (Jude). W Brennende Synagoge am Tag der Reichspogromnacht (Bamberg, 9. November 1938). 87 3 Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Nur zu Prüfzwecken – Eigentum de Verlags öbv

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