Zeitbilder 7/8, Schulbuch

4. Eine Propagandarede analysieren Die „Sportpalastrede“ von Joseph Goebbels 18. Februar 1943, Berlin: Fast 15000 Menschen haben sich im so genannten Sportpalast, einer großen Veranstaltungshal- le, eingefunden. Sie warten mit Spannung auf die angekün- digte Rede von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Er hat die 109 Minuten dauernde Rede genau vorbereitet und inszeniert. Das Publikum der Massenveranstaltung ist von den NS-Parteiorganisationen sorgfältig ausgewählt und kurzfristig einberufen worden. Die Anwesenden sind Parteigenossen, Schauspieler, verwundete Soldaten, Krankenschwestern, alle überzeugte Nationalsozialisten. Einige, vor allem höhere Partei- mitglieder und bekannte Personen, hatte man sogar eigens mit Autos und Chauffeuren von zu Hause abgeholt. Fotografen und Kameraleute hatten den Auftrag erhalten, besonders den zu erwartenden Jubel der Zuhörerinnen und Zuhörer in Nah- und Großaufnahmen ins Bild zu setzen. Goebbels „Sportpalastrede“ fand zu einem Zeitpunkt statt, an welchem sich die Niederlage Deutschlands im Zweiten Welt- krieg bereits abzeichnete: Die Situation der deutschen Truppen in Nordafrika war aussichtslos, vom katastrophalen Ende der Schlacht um Stalingrad hatten die Deutschen zwei Wochen vor- her erfahren. Die Stimmung im Volk war schlecht, der Glaube an den „Endsieg“ bei vielen erschüttert. Goebbels Rede sollte die Deutschen daher aus ihrer Niedergeschlagenheit und ihren Zweifeln reißen und Optimismus verbreiten. Mit der Prokla- mation des „totalen Krieges“ forderte er von jeder und jedem Einzelnen rücksichtslosen Einsatz für den Krieg. Damit wurde indirekt auch die Einführung der Zwangsverpflichtung von Frau- en in Rüstungsbetrieben angekündigt. Zudem wollte Goebbels seine eigene politische Stellung mit der Rede festigen. Die „Sportpalastrede“ gilt als ein „Musterbeispiel“ einer Pro- pagandarede. Die Zuschauerinnen und Zuschauer zeigten jedenfalls die von Goebbels gewünschten Reaktionen: Sie brachen nach jeder rhetorischen Frage in begeisterte „Ja“- und „Heil-Hitler“-Rufe aus. Besonders Goebbels Frage: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ entfesselte eine regelrechte Massenhyste- rie, der zustimmende Jubel nahm kein Ende. Die Rede wurde im Radio ausgestrahlt und später in den „Wochenschauen“ der Kinos gezeigt. So erreichte sie ein Millionenpublikum und sollte im In- und Ausland Wirkung zeigen. Der Schluss von Goebbels´ Rede lautete: Q Ihr also, meine Zuhörer, repräsentiert in diesem Augenblick die Nation. Und an euch möchte ich zehn Fragen richten, die ihr mir mit dem deutschen Volke vor der ganzen Welt, insbesondere aber vor unseren Feinden, die uns auch an ihrem Rundfunk zuhören, beantworten sollt: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk habe den Glauben an den Sieg verloren. Ich frage euch: Glaubt ihr mit dem Führer und mit uns an den end- gültigen Sieg des deutschen Volkes? Ich frage euch: Seid ihr entschlossen, mit dem Führer in der Erkämp- fung des Sieges durch dick und dünn und unter Auf- nahme auch schwerster persönlicher Belastungen zu folgen? Zweitens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk ist des Kampfes müde. Ich frage euch: Seid ihr bereit, mit dem Führer als Phalanx der Heimat hinter der kämpfe den W hrmacht s hend, diesen Kampf mit wilder Entschlossenheit und unbeirrt durch alle Schicksalsfügungen fortzusetzen, bis der Sieg in un- seren Händen ist? Drittens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat keine Lust mehr, sich der überhandnehmen- den Kriegsarbeit, die die Regierung von ihm fordert, zu unterziehen. Ich frage euch: Seid ihr und ist das deutsche Volk entschlossen, wenn der Führer es be- fiehlt, zehn, zwölf und –wenn nötig – vierzehn und sechzehn Stunden täglich zu arbeiten und das Letzte herzugeben für den Sieg? Viertens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk wehrt sich gegen die totalen Kriegsmaßnahmen der Regierung. Es will nicht den totalen Krieg, son- dern die Kapitulation. Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt noch vor- stellen können? Fünftens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat sein Vertrauen zum Führer verloren. Ich fra- ge euch: Ist euer Vertrauen zum Führer heute größer, gläubiger und unerschütterlicher denn je? Ist eure Bereitschaft, ihm auf allen seinen Wegen zu folgen und alles zu tun, was nötig ist, um den Krieg zum siegreichen Ende zu führen, eine absolute und un- eingeschränkte? Ich frage euch sechstens: Seid ihr bereit, von nun ab eure ganze Kraft einzusetzen und der Ostfront die Menschen und Waffen zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um dem Bolschewismus den tödlichen Schlag zu versetzen? Ich frage euch siebtens: Gelobt ihr mit heiligem Eid der Front, dass die Heimat mit starker Moral hinter ihr steht und ihr alles geben wird, was sie nötig hat, um den Sieg zu erkämpfen? Ich frage euch achtens: Wollt ihr, insbesondere ihr Frauen selbst, dass die Regierung dafür sorgt, dass auch die deutsche Frau ihre ganze Kraft der Kriegs- führung zur Verfügung stellt, und überall da, wo es nur möglich ist, einspringt, um Männer für die Front frei zu machen und damit ihren Männern an der Front zu helfen? Ich frage euch neuntens: Billigt ihr, wenn nötig, die radikalsten Maßnahmen gegen einen kleinen Kreis von Drückebergern und Schiebern, die mitten im Kriege Frieden spielen und die Not des Volkes zu eigensüchtigen Zwecken ausnutzen wollen? Seid ihr damit einverstanden, dass, wer sich am Krieg ver- geht, den Kopf verliert? Ich frage euch zehntens und zuletzt: Wollt ihr, dass, wie das nationalsozialistische Programm es gebietet, gerade im Krieg gleiche Rechte und gleiche Pflichten vorherrschen, dass die Heimat die schwersten Belas- tungen solidarisch auf ihre Schultern nimmt und dass sie für hoch und niedrig und arm und reich in glei- cher Weise verteilt werden? Ich habe euch gefragt; ihr habt mir eure Antworten gegeben. Ihr seid ein Stück Volk, durch euren Mund 72 Politische Bildung – Kompetenztraining Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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