Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Q Wenn heute eine weibliche Juristin noch so viel leistet und nebenan eine Mutter wohnt mit fünf, sechs, sieben Kindern (...), dann möchte ich sagen: Vom Standpunkt des ewigen Wertes unseres Volkes hat die Frau, die Kinder bekommen hat (...), mehr geleistet, mehr getan! (Völkischer Beobachter vom 13. September 1936) Bereits 1933 wurde der Anteil der Studentinnen an den Hochschulen mit zehn Prozent begrenzt. Seit 1934 wur- den alle verheirateten Beamtinnen entlassen. Und ab 1936 wurden Frauen nicht mehr als Richterinnen oder Anwältinnen zugelassen. Damit gab es neue Arbeits- plätze für Männer. Der Staat gewährte großzügig Ehestandskredite, wenn die Frauen ihre Arbeit aufgaben. Für schlecht bezahl- te Hilfsarbeiten aber waren die Frauen gut genug. So mussten ab dem Jahr 1938 alle Frauen unter 25 Jahren ein Pflichtjahr in Familien oder auf dem Land verrich- ten und dort nur gegen Verpflegung und Quartier Hilfs- dienste leisten. Erst danach durften sie in der Land- oder Hauswirtschaft eine voll bezahlte Arbeit annehmen. Kurz nach Kriegsbeginn im September 1939 wurde der Reichsarbeitsdienst auch für Frauen im Alter von 17 bis 25 Jahren eingeführt. Im weiteren Verlauf des Krieges wurden sie überall dort eingesetzt, wo Männer fehlten – in den Rüstungsbetrieben wie im öffentlichen Verkehr. Schließlich dienten sie auch bei der Deutschen Wehr- macht als Nachrichten- oder Flakhelferinnen. „Gleichschaltung“ der Kultur im Dritten Reich Die „totale Revolution“ der Nationalsozialisten erfass- te auch Kunst und Kultur. Die eigens eingerichtete „Reichskulturkammer“ überwachte ab 1933 das gesam- te Kulturleben. Wer nicht einer ihrer Teilorganisationen angehörte, konnte in Deutschland nicht als Künstler/in arbeiten. Vor allem die neuen Stilrichtungen in Literatur und bildender Kunst sowie die atonale Musik und der Jazz wurden als „entartete Kunst“ abqualifiziert und aus der Öffentlichkeit verbannt. In der Malerei betraf es z. B. die Werke von Van Gogh, Gauguin, Kandinsky, Picasso, Kokoschka ebenso wie jene der deutschen Maler Klee, Grosz oder Dix (vgl. S. 74 f.). Insgesamt 16 000 Gemälde verschwanden aus deutschen Museen und Sammlun- gen. Die Nationalsozialisten machten „die zerstörende Wirkung des jüdischen Geistes“ für diese von ihnen so bezeichnete „entartete Kunst“ verantwortlich. Am 10. Mai 1933 organisierten die Nazis in ganz Deutschland Bücherverbrennungen: Q Deutsche Studenten, wir haben unser Handeln gegen den undeutschen Geist gerichtet, über- gebt alles Undeutsche dem Feuer! Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volks- gemeinschaft und idealistische Lebensauffassung. – Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Karl Marx und Trotzki. Gegen Dekadenz und moralischen Verfall, für Zucht und Sitte in Familie und Staat. – Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Gläser, Erich Kästner. Gegen seelen- zersetzende Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele. – Ich übergebe dem Feuer die Schriften der Schule Sigmund Freuds (...). („Feuersprüche“ von Studenten – Auszug der Rundfunkübertragung von der Bücherverbrennung in Berlin; zit. nach Grube/Richter, Alltag im Dritten Reich, 1982) „Heil Hitler“ und die neuen Feiertage ... Auch im Sprachgebrauch gab es auffallende Änderun- gen: Als Grußformel verwendete man nicht mehr „Grüß Gott“, „Guten Tag“ oder in Briefen „Mit freundlichen Grüßen“ sondern „Heil Hitler“. Wer diesen „Deutschen Gruß“ nicht leistete, galt als politisch verdächtig. Die Nationalsozialisten beanspruchten auch neue Feier­ tage für sich: Der 1. Mai wurde zum „Tag der nationalen Arbeit“ umfunktioniert, der Geburtstag Adolf Hitlers am 20. April wurde ähnlich gefeiert wie seinerzeit der Geburtstag des Kaisers. Der 9. November wiederum er- innerte an den missglückten Putschversuch in München im Jahr 1923. Die Nationalsozialisten versprechen „Arbeit und Brot“ Mit dieser Wahlwerbung in der Zeit der Weltwirtschafts- krise weckten die Nationalsozialisten große Hoffnungen bei vielen Deutschen. Mit der „Machtergreifung“ muss- ten sie beweisen, dass sie die große Zahl der Arbeitslo- sen deutlich verringern konnten. Dabei kam ihnen zu- gute, dass der Höhepunkt der Krise bereits überschrit- ten war und schon ein Wirtschaftsaufschwung einsetzte. W Fertigung von Granaten in einem Rüstungsbetrieb in Deutschland, 1940. Als mit dem Beginn des Krieges zunehmend Arbeitskräfte gebraucht wurden, war das Frauenbild der Nationalsozialisten nicht mehr zu hal- ten. Vor allem die Rüstungsindustrie warb um weibliche Arbeitskräfte. 70 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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