Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Die nationalsozialistische Volksgemeinschaftsideologie verlangte nicht nur die Unterordnung des Einzelnen un- ter das „Volksganze“. Sie richtete sich vor allem auch gegen die Forderung der Marxisten, die für die Arbei- terinnen und Arbeiter das „Recht auf vollen Arbeitser- trag“ beanspruchten. Außerdem verstand der Marxis- mus den Kampf der Arbeiterschaft gegen den Kapitalis- mus als internationale Bewegung. Wer in dieser Volksgemein- schaft die erwünschte Leis- tung nicht erbringen konnte, gehörte zu den Feindbildern der nationalsozialistischen Gesellschaft. Dazu zählten z. B. alle Menschen mit Be- hinderung, die nach Ansicht der Nationalsozialisten ein „lebensunwertes Leben“ führten. Diese unmenschliche Haltung zeigte sich in Geset- zen zur Zwangssterilisierung (ab 1933), zum Eheverbot für geistig Behinderte (ab 1935) und gipfelte schließlich in der planmäßigen Vernich- tung von etwa 70000 Men- schen mit Behinderung durch die so genannte Aktion T4 in den Jahren 1940/41. Als „Volksschädlinge“ zählten aber auch all jene Menschen, die gegen die nationalsozi- alistische Weltanschauung und deren Politik auftraten (gegnerische Politiker, Intel- lektuelle, Kunstschaffende) sowie jene, die von den Nationalso- zialisten für die politische und wirt- schaftliche Krise dieser Zeit verant- wortlich gemacht wurden (z. B. die Jüdinnen und Juden). Führerprinzip statt Parteien und Parlament Schon während der Haft war Hitlers Plan gereift, die Macht nicht mehr ausschließlich mit Gewalt zu „er- greifen“, sondern dafür auch das von ihm abgelehnte demokratische Sys- tem zu benutzen. Entsprechend der faschistischen Idee übernahm Hitler in „Mein Kampf“ für die „National- sozialistische Bewegung“ das Füh- rerprinzip und für sich den absoluten Führungsanspruch. Das sollte sich auf den Staat wie folgt auswirken: Q Die Bewegung vertritt im Kleinsten wie im Größten den Grundsatz der unbedingten Füh- rerautorität, gepaart mit höchster Verantwortung (...). Der erste Vorsitzende einer Orts- gruppe wird durch den nächsthöheren Führer ein- gesetzt (...). Immer wird der Führer von oben einge- setzt und gleichzeitig mit unbeschränkter Vollmacht und Autorität bekleidet (...). Es ist eine der obersten Aufgaben der Bewegung, dieses Prinzip zum bestim- menden nicht nur innerhalb ihrer eigenen Reihen, sondern auch für den gesamten Staat zu machen (...). Damit ist die Bewegung aber antiparlamentarisch W Berlin, 10. Nov. 1933: Letzte Wahlrede Hitlers vor Arbeitern des Siemens-Dynamowerkes (Reichstagswahl und Volksabstimmung über den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund am 12. Nov. 1933). Das Regime warb mit allen Mitteln der Propaganda um Zustimmung. Fotograf/in: unbekannt. W Am 10. Mai 1933 organisierte das Propagandaministerium eine groß angelegte Bücherverbren- nung (hier eine Szene aus Berlin). In ganz Deutschland wurden, begleitet von Kundgebungen, Bü- cher berühmter Schriftsteller/innen und Denker/innen verbrannt, die die Nationalsozialisten als ihre Gegner ansahen: Ernst Bloch, Bertolt Brecht, Thomas Mann, Heinrich Mann, Stefan Zweig, Anna Seghers und viele, viele andere. 66 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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