Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Diese Verordnung hatte zwar den Vermerk „bis auf weiteres“, wurde aber bis zum Ende der NS-Herrschaft nie mehr aufgehoben. Das gab den Nationalsozialisten nun ganz offen die Möglichkeit, noch brutaler gegen ihre Gegner vorzugehen, auch mit der neu geschaffe- nen „Geheimen Staatspolizei“ (GESTAPO). Trotz des Verbots der Kommunistischen Partei (bis dahin mit 17 Prozent drittstärkste Partei) und der Einschüchterung der Sozialdemokraten (mit 20 Prozent zweitstärkste Par- tei) sowie der anderen kleinen Parteien, verfehlten die Nationalsozialisten bei den Wahlen im März 1933 mit nur 44 Prozent der Stimmen klar die absolute Mehrheit. Das Ermächtigungsgesetz – Ausschaltung des Parlaments Hitler verzichtete nun auf eine Mehrheitsbeschaffung im Reichstag und strebte direkt diktatorische Vollmach- ten für die nächsten vier Jahre an. Dazu legte er dem Reichstag einen Gesetzesentwurf „zur Behebung der Not von Volk und Staat“ vor: Q Artikel 1: Reichsgesetze können (...) auch durch die Reichsregierung beschlossen werden (...). Artikel 2: Die von der Reichsregierung beschlosse- nen Gesetze können von der Reichsverfassung ab- weichen (...). (http://www.ns-archiv.de/system/gesetze/1933/ermaechtigungsge- setz/index.php, 14.6.2011) Erläutere, welchem wichtigen Grundsatz einer demokrati- schen Verfassung dieses Gesetz widerspricht. Diskutiert gemeinsam in der Klasse, ob es eurer Meinung nach Si- tuationen gibt, die die Aufhebung der bürgerlichen Freihei- ten bzw. ein solches Ermächtigungsgesetz rechtfertigen. Diesem so genannten Ermächtigungsgesetz stimmten am 24. März 1933 mit Ausnahme der sozialdemokra- tischen Abgeordneten alle Parteien zu und sicherten Hitler so die notwendige Zweidrittelmehrheit. Zum ei- nen fürchteten sich etliche Abgeordnete vor weiteren Gewalttaten (inzwischen waren auch schon SPD-Abge- ordnete auf der Flucht bzw. misshandelt oder verhaftet worden), zum anderen argumentierten sie mit Macht- losigkeit. Wieder andere glaubten, durch ihre Zustim- mung Schlimmeres verhindern und sich mit den Natio- nalsozialisten arrangieren zu können. SS und SA hatten den Ordnerdienst um den Reichstag übernommen und schüchterten auf diese Weise auch viele oppositionelle Abgeordnete ein. Der Führer der Sozialdemokraten, Otto Wels, sprach sich im Reichstag dennoch mutig gegen das Gesetz aus: Q (…) Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Nach den Verfolgungen, die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfah- ren hat, wird billigerweise niemand von ihr verlan- gen oder erwarten können, dass sie für das hier ein- gebrachte Ermächtigungsgesetz stimmt (…). Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht (…). (http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/wels/index.html ; 14.6.2011) Als nächsten Schritt beschloss die nunmehr schon nati- onalsozialistisch gelenkte Regierung die „Gleichschal- tung der Länder mit dem Reich“: Alle Landtage und Gemeinderäte wurden aufgelöst und entsprechend dem Ergebnis der Reichstagswahlen neu zusammengesetzt. Hitler setzte in den Ländern „Reichsstatthalter“ ein, die mit diktatorischen Vollmachten regierten. W Plakat der NSDAP zur Reichstagswahl am 5. März 1933. Die NSDAP wurde die stärkste Partei. Für ihre Wahlwerbung nutzte sie geschickt die Empörung aus, die der Reichstagsbrand in der Bevölkerung ausgelöst hatte. W Kommunisten und Sozialdemokraten nach der Verhaftung im April 1933 in der SA-Kaserne Friedrichstraße in Berlin. 62 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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