Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Österreich I – die Erste Republik „Rest-Trauma“ und Kampf ums Staatsgebiet • Kaiser Franz Joseph starb im November 1916. Er hatte als Symbolfigur den Vielvölkerstaat zusammengehalten. Nach seinem Tod waren der Zusammenbruch der Front und das Auseinanderbrechen der Donaumonarchie nicht mehr auf- zuhalten. Versuche des letzten Kaisers Karl I., durch einen Umbau die Monarchie noch zu retten, scheiterten. • Noch vor Kriegsende wurde am 30. Oktober 1918 der selbst- ständige Staat „Deutschösterreich“ gegründet. Karl Renner wurde Staatskanzler einer Konzentrationsregierung. • Einen Tag nach der Verzichterklärung Kaiser Karls I. wur- de am 12. November 1918 die demokratische Republik Deutschösterreich – als Bestandteil der Deutschen Republik –ausgerufen. • Die Wirtschaftslage nach Kriegsende war katastrophal. Hun- ger, Krankheiten, Wohnungsnot, Inflation und Arbeitslosigkeit prägten die Situation nach Kriegsende. Viele Österreicher/ innen beurteilten deshalb ihren neuen (Klein-) Staat als nicht lebensfähig. Trotz vieler wirtschaftlicher Schwierigkeiten waren die Voraussetzungen für eine positive Entwicklung Österreichs aber durchaus vorhanden. Die Legende von der mangelnden „Lebensfähigkeit“ des neuen Kleinstaates hielt sich aber hartnäckig und verhinderte bei vielen Menschen eine Identifizierung. • Eine große Herausforderung stellten die offenen Grenzfragen dar: Die deutsch besiedelten Gebiete Böhmens und Mährens kamen an die neu errichtete Tschechoslowakei. Kärnten blieb nur durch einen Abwehrkampf gegen Slowenen und Serben bzw. durch eine Volksabstimmung ungeteilt erhalten. Um das Burgenland kam es zu Kämpfen zwischen ungari- schen Truppen und der österreichischen Gendarmerie – es kam zu Österreich. Südtirol fiel nach dem Willen der Sieger an Italien. Darüber hinaus kam es infolge des fehlenden Nati- onalbewusstseins zu Anschlussbewegungen an Deutschland und die Schweiz. Parteien – Sozialgesetzgebung – Verfassung • Das politische Leben in der Zwischenkriegszeit war durch die Verhärtung der Standpunkte zwischen „Rot“ (Sozialdemokra- tie) und „Schwarz“ (Christlichsoziale) geprägt. • In der Sozialdemokratischen Partei gab es einen gemäßigten (Karl Renner) und einen radikalen (Otto Bauer) Flügel („Aus- tromarxismus“). Ab 1920 war die Partei in der Opposition. • Die Christlichsoziale Partei war bürgerlich-konservativ aus- gerichtet. Sie war ideologisch und personell eng mit der ka- tholischen Kirche verbunden – ihr bedeutendster Führer war Prälat Ignaz Seipel. • Zu den bürgerlichen Parteien gehörten auch die Großdeut- sche Partei und der Landbund. Sie waren nach 1920 an Koalitionen mit den Christlichsozialen beteiligt. • Zwischen 1918 und 1920 wurde die Sozialgesetzgebung von der Rot-Schwarzen Koalitionsregierung stark ausgebaut. • Der Wiener Völkerrechtsprofessor Hans Kelsen arbeitete eine Verfassung aus. Sie trat 1920 in Kraft und ist auch heute noch im Wesentlichen die Verfassung der Zweiten Republik. Immer wieder Wirtschaftskrisen • Die wirtschaftlichen Dauerkrisen waren ein zentrales Prob- lem in der Ersten Republik. Besonders die Hyperinflation bis 1922 stellte eine große wirtschaftliche und politische Belas- tung dar. • Mithilfe einer Völkerbundanleihe 1922 („Genfer Protokolle“) gelang Bundeskanzler Seipel die Sanierung der Währung (Schilling 1924) und des Staatshaushaltes. Infolge eines ra- dikalen Sparprogramms gelang die Sanierung der Wirtschaft jedoch nicht. • Die hohe Arbeitslosigkeit wurde zu einer Dauererscheinung und erhöhte sich noch einmal drastisch als Folge der Welt- wirtschaftskrise in den Jahren nach 1929. Radikalisierung der Innenpolitik, die Demokratie scheitert • Der verbale Radikalismus wurde von den Anhängern der jeweiligen Gegenseite als Bedrohung empfunden. Um sich zu schützen errichtete man militaristische „Selbstschutzver- bände“: – Republikanischer Schutzbund (1923) – Sozialdemokratie; – Heimatschutz bzw. Heimwehr (1924) – bürgerliches Lager. • Das Linzer Programm von 1926 (Androhung der „Mittel der Diktatur“), die Ereignisse um den Brand des Justizpalastes (1927) und der „Korneuburger Eid“ der Heimwehr (1930) vergifteten das politische Klima vollständig. • Bundeskanzler Dollfuß (seit 1932) bekämpfte mit Unterstüt- zung des faschistischen Italien (Mussolini) die Sozialdemo- kratie und den Nationalsozialismus. 1933 schaltete er das Parlament aus. • Ständige Provokationen (z. B. Waffensuchaktionen) der So- zialdemokraten durch Heimwehr und Regierung führten im Februar 1934 zum Bürgerkrieg, in dem die Sozialdemokratie unterlag und verboten wurde. Austrofaschismus und „Anschluss“ • Die „Maiverfassung“ 1934 errichtete den austrofaschisti- schen Ständestaat mit der „Vaterländischen Front“ als Ein- heitspartei. Deren Bundesführer Bundeskanzler Dollfuß wur- de im „Juliputsch“ 1934 von Nationalsozialisten ermordet. • Die Kanzlerschaft Kurt Schuschniggs (1934–1938) war vor allem geprägt vom Ringen um Österreichs Unabhängigkeit. • Nach der Annäherung zwischen Hitler und Mussolini fiel die italienische Unterstützung gegen Hitler weg. Das Juliabkom- men 1936 war de facto eine Kapitulation vor dem National- sozialismus. • Schuschnigg setzte für den 13. März 1938 eine Volksabstim- mung an, in der die österreichische Bevölkerung entscheiden sollte, ob sie für oder gegen ein freies Österreich sei. • Am 12. März 1938 erfolgte jedoch der Einmarsch der deut- schen Truppen. Schon am nächsten Tag verkündete Hitler die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, die er am 10. April 1938 in einer fragwürdigen Volksabstim- mung bestätigen ließ. 56 Basiswissen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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