Zeitbilder 7/8, Schulbuch
9. Die Medien 9.1 Die Entwicklung von Massenmedien Die Macht der Medien Smartphones, Facebook, Twitter & Co. erlauben es uns, praktisch jederzeit und überall Kontakte herzustellen und uns fast unbegrenzt Informationen zu beschaffen. Manche sprechen von einer „Medien-Revolution“, die in ihren Folgen und Auswirkungen vergleichbar ist mit der Einführung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren das Medienan- gebot und die Medienauswahl überschaubar: Es gab das Fernsehen mit ein bis zwei Programmen, Radio, Tageszeitungen, Bücher, einige Illustrierte und den Schallplattenspieler. Heute wird unser Leben von ei- ner Vielzahl unterschiedlicher Medien bestimmt. Poli- tik, Kultur, Werbung, Sport und Unterhaltung – täglich verbreiten Massenmedien eine Flut von Informationen. Sie kontrollieren die Mächtigen und machen selbst Po- litik. Daher werden die Medien neben Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung häufig als „vierte Ge- walt“ im Staat bezeichnet. Unter Medium (lat. „das Mittlere“) versteht man jede Art von Übermittler zwischen Sender, dem Urheber oder Kommunikator, und dem Empfänger, dem Rezi- pienten. Als klassische Massenmedien werden Presse, Hörfunk und Fernsehen bezeichnet. Neue digitale, vernetzte Technologien wie das Internet revolutionierten in den letzten 20 Jahren die Gesell- schaft. Massenmedien stellen Massenkommunikation her. Sie wenden sich über ein technisches Mittel an ein unbegrenztes, anonymes Publikum, das aus Millio- nen Einzelpersonen bestehen kann. Bei der Indivi dualkommunikation handelt es sich um den Informa- tionsaustausch zwischen einzelnen Personen (z. B. per Telefon oder E-Mail). Durch die technische Entwicklung sind die Grenzen zwischen Individual- und Massen- kommunikation jedoch fließend geworden. Die Unter- scheidung zwischen Anbieter und Nutzer verschwimmt immer mehr. Die Pressefreiheit – ein Grundwert der Demokratie Das amerikanische Forschungsinstitut „Freedom House“ schätzt, dass nur einer von sechs Menschen auf der Welt in einem Staat lebt, in dem man die Presse als „frei“ bezeichnen kann. Dabei gehören die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit zu den wichtigsten Werten unserer Gesellschaft. Sie wurde in einem län- geren historischen Prozess im ausgehenden 18. Jahr- hundert erkämpft. Totalitäre Staaten im 20. Jahrhun- dert beseitigten sie, in den demokratischen Staaten der Gegenwart ist dieses Recht in den Verfassungen veran- kert. Auch heute können Medien jedoch nicht immer und überall frei und unabhängig berichten. In allen dik- tatorischen Systemen bestimmen die Machthaber, was und worüber geschrieben und berichtet werden darf. Regierungskritische Journalistinnen und Journalisten werden verfolgt, eingeschüchtert, verhaftet oder sogar ermordet. Die Medien dienen der politischen Propagan- da, der Erhaltung und dem Ausbau der Macht der Re- gierenden. Auch demokratische Regierungen versuchen, Medien zu beeinflussen und in ihrem Sinne zu manipulieren. Dies gilt besonders für Kriegszeiten. Als 1991 die USA und ihre Verbündeten im Namen der UNO zur Rück- eroberung Kuwaits den Kampf gegen den Irak began- nen („Zweiter Golfkrieg“), war eine freie Berichterstat- tung über die Kriegsereignisse vor Ort unmöglich: Es durften nur die von der US-Militärzensur freigegebe- nen Berichte und Bilder von den Fernsehstationen in alle Welt gesendet werden. Weder tote Soldaten noch zivile Opfer flimmerten über den Bildschirm. Offen- sichtlich wollten die USA eine Berichterstattung, wie sie im Vietnamkrieg praktiziert wurde, vermeiden. Dort hatten amerikanische Reporterinnen und Reporter über das Leiden und Sterben der eigenen und gegnerischen Soldaten sowie der Zivilbevölkerung aus nächster Nähe und mit brutaler Schonungslosigkeit berichtet. Das führ- te damals in den USA zu einem Meinungsumschwung über diesen Krieg und trug wesentlich zum Rückzug der US-Truppen aus Vietnam bei. Besonders gefährlich ist die Lage für Journalistinnen und Journalisten und kritische Beobachterinnen und Beobachter immer dort, wo sich antidemokratische Machthaber bedroht fühlen. Dazu gehörten in den vergangenen Jahren China, der Iran und arabische und nordafrikanische Länder, in denen es Aufstände und Protestbewegungen gab. Zunehmend versuchen Machthaber auch mit Hilfe der neuen Medien Demo- kratiebewegungen zu stoppen. Insgesamt aber ist es durch den Siegeszug des Internets für autoritäre Regime schwieriger geworden, unabhängige Berichterstattung zu unterdrücken (vgl. dazu auch S. 276 f.). W Reporter ohne Grenzen halten eine Mahnwache, Berlin, Alexander- platz 2009. Gedenken an die ermordete Natalja Chussainowna Estemi- rowa, eine russische Historikerin, Journalistin und Menschenrechtsakti- vistin im früheren Kriegsgebiet Tschetschenien (Fotografie von Michael Körner, 23. August 2009). 266 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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