Zeitbilder 7/8, Schulbuch

5. Anti-Atom-Protest und Friedensbewegung Zuerst: „Atom für den Krieg“ Im August 1945 wurden von den USA zwei Atombom- ben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Sie töte- ten Hunderttausende Menschen. Das führte zur Kapitu- lation Japans und brachte somit das Ende des Zweiten Weltkrieges. Trotz der im Jahr 1945 gemachten Erfahrung mit der gigantischen Zerstörungskraft der Bomben setzte im Kalten Krieg ein beispielloser Rüstungswettlauf ein. Er gipfelte in 70000 Atomsprengköpfen weltweit im Jahr 1986. 2012 schätzt man, dass auf der ganzen Welt noch ca. 20000 Atomsprengköpfe lagern. Erst dann: „Atom für den Frieden“ Nach dem Zweiten Weltkrieg begann man mit der zi- vilen Nutzung der Kernenergie. Man sah in ihr die Energie der Zukunft. 1954 ging in den USA der erste Reaktor ans Netz. UNO und EWG richteten besondere Unterorganisationen zur Kontrolle bzw. zur Förderung der Atomkraft ein: UNO 1956 – IAEO (Internationale Atomenergie Organisation; Kontrollinstanz für die Ein- haltung internationaler Verträge zur friedlichen Nut- zung der Kernenergie, mit Sitz in Wien); EWG 1957 – EURATOM (regelt die Verwendung und Förderung der Kernkraft innerhalb der EU). Am 26. 4. 1986 kam es im AKW in Tschernobyl (Sowjet- union/Ukraine) im Rahmen einer Sicherheitsübung zur bis dahin schwersten Reaktorkatastrophe der Geschich- te. Tausende Menschen fanden in der Folge der verhee- renden Verstrahlung in der Ukraine und in Weißruss- land den Tod. Die Krebsrate, v. a. bei Kindern, erhöhte sich um das Zehnfache. Das übrige Ost- und Zentraleu- ropa – einschließlich Ostösterreich – entging damals mit viel Glück einer atomaren Katastrophe. Trendumkehr? Zwei Supergaus! Schon bald führte die prinzipielle Skepsis gegenüber der Atomkraft zu Protesten. Das Problem der Zwischen- bzw. Endlagerung des Atommülls (Halbwertszeit des Plutoniums: 24 000 Jahre) konnte bislang nicht gelöst werden. In Deutschland nahmen die meist friedlichen Auseinandersetzungen z. B. um die Wiederaufberei- tungsanlage in Wackersdorf in den 1970er-Jahren oder die Proteste gegen die CASTOR-Transporte (seit Mitte der 1990er-Jahre) nach Gorleben z. T. auch gewalttäti- ge Ausmaße an. Die Österreicher/innen stimmten in der Volksabstimmung im Jahr 1978 mit knapper Mehrheit gegen die Inbetriebnahme des fertig gestellten Atom- kraftwerkes in Zwentendorf. Doch die AKWs in Tschechien, der Slowakei, in Slowe- nien oder in Bayern und in der Schweiz bleiben als Be- drohung bestehen. Durch den Supergau in Tschernobyl wurden die Vor- behalte auch gegen die friedliche Nutzung der Atom- energie weiter verstärkt. Trotzdem plante man in den folgenden Jahren aufgrund des weltweit steigenden Energiebedarfs in den Industrieländern – z. B. in Eng- land, Frankreich oder Finnland – den weiteren Ausbau der Atomenergie. Seit einigen Jahren hat der ständig wachsende „Energiehunger“ der Wohlstandsgesell- schaften die Bedenken gegen die Kernenergie wieder zurück gedrängt. Die aufstrebenden Wirtschaften Chi- nas und Indiens benötigen mehr Strom als je zuvor. Sie setzen dabei auch auf Atomkraft. Doch der Supergau in Fukushima (Japan) am 11./12.3.2011, „die schlimmste Katastrophe in Japan seit 1945“, bestärkt jetzt die Atomskeptiker. Die IAEO möchte nun weltweit mit „Stresstests“ die Sicherheit bestehender Kernkraftwerke überprüfen. Deutschland und die Schweiz haben sich darüber hinaus innerhalb der nächsten 20 Jahre den totalen Ausstieg aus der Atomenergie vorgenommen. Italien will nicht wieder in die Kernenergiegewinnung einsteigen. Andere Länder wie Frankreich oder Großbritannien sehen noch keine Lösung für den steigenden Energiebedarf und setzen weiterhin auf den Ausbau der Atomenergie. Der Strom – nur aus der Steckdose? Es geht bei den Auseinandersetzungen um den Aus- stieg aus der Kernenergie aber nicht nur um die Ver- hinderung von Gefahren. Es geht um die Deckung des Energiebedarfs und um die Durchsetzung von nachhal- tigem technischen Fortschritt: Wie können alternative Energien aus Sonne, Wasser, Wind und Biomasse er- zeugt und besser genutzt werden? Viele Vertreter/innen der Industrie meinen, dass für den steigenden Energie- bedarf die alternative Energieproduktion noch zu we- nig ausgereift sei. W Kontra-Zwentendorfplakat im Vordergrund, im Hintergrund ein Plakat für das Kernkraftwerk (Fotografie 1978). Der damalige Bundeskanzler Kreisky drohte bei einem Nein zur Inbetriebnahme von Zwentendorf mit seinem Rücktritt. 256 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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