Zeitbilder 7/8, Schulbuch

3. Frauenemanzipation in Österreich Die Frauen sind mehrfach belastet Frauen haben auch in Österreich den größten Anteil an den Lasten in unserer Gesellschaft zu tragen. Wenn be- rufstätige Frauen Kinder zu versorgen und einen Haus- halt zu führen haben, dann sind sie doppelt und drei- fach belastet. Die Hausarbeit zählt landläufig als Arbeit, die „bloß“ von Frauen zu verrichten ist. Doch Volkswirt- schafter/innen haben errechnet, dass es in Österreich etwa 22 Mrd. Euro jährlich kosten würde, würden diese Arbeiten nach dem Kollektivvertrag für Hausangestell- te abgegolten. Hausarbeit – und übrigens auch die Kin- dererziehung – scheinen im Bruttosozialprodukt nicht auf. In der Folge der zweiten Frauenbewegung haben auch die Frauen in Österreich endgültig begonnen, sich da- gegen zur Wehr zu setzen. AUF! – Die Anfänge in Österreich Nachdem sich noch in den 1960er Jahren in zahlreichen Ländern Europas Frauengruppen organisiert haben, war es im Jahr 1971 auch in Österreich soweit: L 7. Mai 1971. Mehr als 130 Frauenrechtler und -rechtlerinnen ziehen zum Muttertag mit Pfan- nen und Kochlöffeln über die Wiener Mariahilfer- straße. Sie demonstrieren für die Gleichberechtigung und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, gegen das Abtreibungsverbot. Mit hörbarem Erstaunen re- gistriert und kommentiert ein ORF-Reporter diese „Demonstration von Anhängern der Frauenemanzi- pation“, mit der sich der Aufbruch der Frauenbewe- gung auch in Österreich ankündigt. (Geiger/Hacker, Donauwalzer – Damenwahl, 1989, S. 13) Im Herbst 1972 erfolgte schließlich die Gründung der ersten Autonomen Frauenbewegung (AUF) in Öster- reich. Ihre Hauptthemen bildeten zunächst die Eman- zipation der Frau, die Neubewertung der Aufgaben in der Familie und in der Kindererziehung und vor allem Aktionen zur Ermöglichung des straffreien Schwan­ gerschaftsabbruchs. Dieser wurde 1975 mit der Einfüh- rung der „Fristenlösung“ (Möglichkeit des straffreien Schwangerschaftsabbruchs innerhalb von 3 Monaten) erreicht. Mit dem „Volksbegehren für Frauenförderung“ (1997) haben die Frauen die Aufmerksamkeit auf ihre viel- fältigen Benachteiligungen in Österreich gelenkt. Es verlangte, dass die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) sich zum aktiven, umfassenden Ab- bau der Benachteiligungen von Frauen verpflichtet. Es wurden folgende gesetzliche Maßnahmen gefor- dert: gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, staatliche Bildungsmaßnahmen für Frauen, ganztägige qualifi- zierte Betreuungseinrichtungen für Kinder, Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihrer Kinder, sozialrechtliche Absicherung von Teilzeitarbeit und geringfügiger Beschäftigung u.v.a.m. Etwa 645000 Frauen und Männer haben das Frauenvolksbegehren unterschrieben. Das zeigt, dass es der Frauenbewegung gelungen ist, auch in Österreich auf breiter Basis Fuß zu fassen. „Halbe-halbe“ lautete schließlich ein politischer Slo- gan: Nicht nur bei der Hausarbeit sondern auch bei allen politischen Mandaten sowie in allen Führungs- gremien sollten Frauen und Männer zu gleichen Teilen vertreten sein. „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“? Die Gleichberechtigung der Frau auf dem Arbeitsmarkt wurde 1979 mit dem „Gleichbehandlungsgesetz“ recht- lich verankert: Q Bei der Festsetzung des Entgelts darf niemand aufgrund des Geschlechtes diskriminiert werden. (Gleichbehandlungsgesetz, 1979, § 2) Die Einkommenssituation der Frauen hat sich in den Achtzigerjahren zwar spürbar verbessert. Doch auch in den zehn Jahren nach dem Frauenrechtsvolksbegehren (1998-2008) wird L die ökonomische Stellung der Frauen von der Be- harrlichkeit des traditionellen Rollenverhaltens von Frauen und Männern geprägt. Das Bruttojahres- einkommen der unselbständig beschäftigten Frauen ist im Schnitt um 39% geringer als das der Männer. Der Einkommensunterschied ist etwa zur Hälfte die Folge einer geringeren Arbeitszeit der Frauen (Teil- zeit), und zur weiteren Hälfte die Folge geringerer Stundenlöhne. Der Unterschied in den Stundenlöh- nen von Frauen und Männern ist längerfristig stabil bei etwa zwanzig Prozent, in der Privatwirtschaft be- trägt der „gender pay gap“ sogar 25 Prozent. Etwa die Hälfte der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern kann durch folgende Faktoren erklärt werden: unterschiedliche Bildungs- und Berufslauf- bahn, Trennung der Geschlechter nach Berufen, ge- ringere Berufserfahrung von Frauen, Familienstand. Wesentliche zusätzliche Faktoren sind die geringere regionale Mobilität der Frauen in Folge von Betreu- ungsarbeit im Haushalt, die häufigeren Erwerbsun- terbrechungen (aufgrund der Geburten) sowie die kürzere Wochenarbeitszeit. ((4.) Frauenbericht 2010, S. 467, gekürzt). Frauen holen in der Bildung auf Noch in den 1970er-Jahren lag der Anteil der Mädchen in den höheren Schulen weit abgeschlagen hinter den Burschen zurück. Seither hat sich auf dem Sektor der Mädchenbildung aber Entscheidendes getan: Die Reifeprüfungsquote der Frauen (Anteil der Ma- 252 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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