Zeitbilder 7/8, Schulbuch
2. Die „zweite“ Frauenbewegung Ein Aufbruch – Die „erste“ Frauenbewegung Ein wichtiges Ergebnis der ersten Frauenbewegung, die sich ab etwa 1870 organisierte, war die Erringung des Wahlrechts für Frauen. In Österreich war das im Jahr 1918 der Fall. Der Feminismus als neue Bewegung L Die Zuweisung der Geschlechterrollen ist univer- sell, und auch ihre Folgen sind es. Darum muss auch der Feminisimus universell sein. In der westli- chen Welt trat vor dreißig Jahren die Frauenbewe- gung erneut in die Arena. (Schwarzer, Der „kleine Unterschied“ und seine großen Folgen, 2007, S. 9). Die (zweite/neue) Frauenbewegung war eine der be- deutendsten sozialen und politischen Bewegungen der letzten Jahrzehnte. Ihr Motto war: Das „Private ist poli- tisch“. Als feministische Bewegung hatte sie vor allem die hierarchische (= der Mann ist gegenüber der Frau bevorrechtet) und als sexistisch bezeichnete Geschlech- terordnung (das „Patriarchat“) bekämpft. Q Sexismus ist Ausbeutung, Verstümmelung, Ver- nichtung, Beherrschung, Verfolgung von Frauen; die Verneinung des weiblichen Körpers, die Gewalt gegenüber dem Ich der Frau; die Kolonialisierung und Nutzung ihres Körpers, der Entzug der eigenen Sprache, die Einschränkung ihrer Bewegungsfrei- heit, die Unterschlagung ihres Beitrages zur Ge- schichte der menschlichen Gattung. (Janssen-Jurreit, Sexismus. Über die Abtreibung der Frauenfrage, 1978, S. 127) Die Frauen fordern die Befreiung aus männlicher Bevormundung und aus wirtschaftlicher Abhängigkeit. In Diskussions- und Arbeitsgruppen streben sie politische Selbstorgani- sation an. Die Männer schließen sie aus ihren Diskussionsgruppen aus. Ihren Ausgang nahm die Neue Frauenbewegung von der Studen- tenbewegung in den USA in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts. L Wir, MÄNNER und FRAU- EN, die wir uns hiermit als National Organization for Wo- men konstituieren, glauben, dass die Zeit für eine neue Be- wegung zur vollständig gleich- berechtigten Partnerschaft der Geschlechter gekommen ist, als Teil einer weltweiten Revolution für Menschenrecht. (Zit. nach: Castells, Das Informationszeital- ter II. Die Macht der Identität, 2002, S. 191) Mit dieser Erklärung von NOW (National Organization for Women) im Jahr 1966 wurde die liberale Frauenbe- wegung gegründet. Vor allem die geschlechterhierarchische Arbeitsteilung wurde von feministischer Seite massiv kritisiert. Nach dieser bisherigen Auffassung ist die Frau für die Kin- dererziehung und die Arbeit im Haushalt zuständig, der Mann übt einen Beruf aus und verdient das Geld (= tra- ditionelles Rollenbild). Auch die verbreitete häusliche Gewalt gegen Frauen wurde thematisiert. Zum Schutz gegen männliche Gewalt wurden z. B. Selbstverteidi- gungskurse eingerichtet, Frauenhäuser errichtet und psychologische Beratungsdienste für misshandelte Frauen aufgebaut. Allmählich gelang es, auch die Gewerkschaften, die po- litischen Parteien und die Kirchen für Themen der Frau- enbewegung zu gewinnen. Von den „Women’s Studies“ zu den „Gender Studies“ Die neue Frauenbewegung regte in den 70er-Jahren nachdrücklich auch die Erforschung der Lebensver- hältnisse von Frauen an. In den „Women’s Studies“ sollten besonders die bestehenden Benachteiligungen der Frauen v. a. von den Frauen selbst erforscht werden. In den folgenden Jahrzehnten setzte sich der englische Begriff „Gender“ für das Verständnis der sozialen und kulturellen Aspekte des „Geschlechtes“ durch („every person is gendered“). Der Begriff „Sex“ blieb der bio- logischen Bezeichnung des Geschlechtes vorbehalten („every cell is sexed“). Die „Gender Studies“, welche die „Women’s Studies“ ablösten, bemühen sich nun um eine umfassende Erforschung der politischen, rechtli- W Frauen- und Männerwahlrecht in Europa. 250 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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