Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Q Verbirgt sich hinter dem Men- schen, der in den Menschen- rechtserklärungen angesprochen ist, nicht ein bestimmtes – „west- liches“ oder „aufklärerisches“ – Menschenbild? Läuft der norma- tive Universalismus daher nicht zuletzt auf die Globalisierung einer westlich geprägten Wertord- nung hinaus? (Bielefeldt, Menschenrechte, 1997, S. 256) Eine befriedigende Antwort auf die- se Fragen wurde bis in die Gegen- wart noch nicht gefunden. Es stellt sich vielmehr die Gegenfrage nach der Alternative zum menschenrecht- lichen Universalismus. Auf diese Gegenfrage gibt es gleichfalls nur unbefriedigende Antworten. Die stärksten Argumente für einen menschenrechtlichen Universalis- mus liegen nicht in der theoreti- schen, sondern in seiner praktischen Natur: Q In einer immer enger vernetz- ten Welt, in der durch die ra- pide anwachsenden technischen Möglichkeiten stets neue Gefähr- dungen menschlicher Würde und Freiheit entstehen, ist ein univer- saler Konsens über elementare Bedingungen menschenwürdigen Überlebens und Zusammenlebens faktisch unumgänglich geworden. (Bielefeldt, Menschenrechte, 1997, S. 256) Europa Angeregt von den Menschenrechts- einrichtungen der Vereinten Natio- nen wurden von den afrikanischen, amerikanischen und europäischen Ländern regionale Menschenrechts- abkommen geschlossen. In Europa unterzeichneten die Mitglieder des Europarats, dessen Hauptaufgabe die Förderung der Menschenrechte in ganz Europa ist, im Jahre 1950 die Europäische Menschenrechtskonvention. Um die Einhaltung der Konvention zu gewährleisten, wurden die Europä- ische Menschenrechtskommission und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eingerichtet. Beide wurden 1998 aufgelöst und durch den Ständigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg abgelöst. Dieses Gericht kann von Einzelpersonen und NGOs nach Ausschöpfung der nationalen Rechtsmittel angerufen werden. Sein Urteil ist für die Mitgliedstaa- ten bindend und hat auch in Öster- reich in vielen Fällen eine Änderung der staatlichen Gesetzgebung nach sich gezogen. In der Europäischen Union stehen seit den Römer Verträgen von 1957 besonders die vier Freiheiten des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs im Mittelpunkt. Seit dem Vertrag von Maastricht 1992 besteht für Bürgerinnen und Bürger aller Mitgliedstaaten die Unionsbürgerschaft, die ihnen das Wahlrecht bei europäischen und kommunalen Wahlen im gesamten Gebiet der EU einräumt. Darüber hinaus bezeichnet die EU die Euro- päische Menschenrechtskonvention ausdrücklich als Teil des gemeinsa- men Rechtsbestands ihrer Mitglieds- länder. Eine Verletzung der Men- schenrechte kann Sanktionen der EU zur Folge haben. Außerdem wird von allen Beitrittskandidaten zur EU die Einhaltung von Menschen- und Minderheitsrechten gefordert. Menschenrechtsbewegungen Durch das weltweite Engagement von Bürgerinnen und Bürgern für die Wahrung der Menschenrechte gewannen Nicht-Regierungsor- ganisationen (Non-governmental Organization = NGO) zunehmende Bedeutung (vgl. S. 234f.). Sie beob- achten in den einzelnen Staaten die Umsetzung der Menschenrechtsver- einbarungen, machen Verletzungen publik, organisieren Proteste und drängen auf eine effektivere nati- onale und internationale Institutio- nalisierung von Menschenrechten. Um ihre Unabhängigkeit zu wahren, nehmen NGOs keine staatlichen Gelder an. Zu den wichtigsten Organisationen in diesem Bereich gehören Amnesty International, Human Rights Watch (HRW), die Internationale Föderati- on für Menschenrechte (FIDH), die Internationale Helsinki-Föderation für Menschenrechte (IHF) und die Internationale Liga der Menschen- rechte (ILHR). Die 1977 auf der Grundlage der KSZE-Schlussakte gegründete Menschenrechtsbewe- gung Charta 77 in der Tschechoslo- wakei und andere Initiativen zur Be- obachtung des „Helsinki-Prozesses“ im damaligen Ostblock hatten einen wesentlichen Anteil an der Entwick- lung zur politischen Wende 1989. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Recherchiert und informiert euch über die Geschichte und die Arbeit verschiedener NGOs. 2. Wer in eurer Klasse ist Mitglied ei- ner Menschenrechtsgruppe? Welche Tätigkeiten werden dort verrichtet? In welcher Gruppe könntet ihr euch eventuell eine Mitarbeit vorstellen?  3. Bringt in Erfahrung, welche Verlet- zungen der Menschenrechte Öster- reich in den letzten Jahren vorgewor- fen wurden. 4. Bildet Kleingruppen und recher- chiert nach Staaten bzw. Regionen, in denen aktuell Menschenrechtsver- letzungen stattfinden. 5. Recherchiert über die Geschichte des Lagers Guantanamo und die mo- mentane Situation dort. W Amnesty International demonstriert für die Schließung des Gefangenenlagers Guantana- mo unter der Pariser Freiheitsstatue (Jänner 2007). 245 X Titel dieser Politikseite Die Entwicklung der Menschenrech Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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