Zeitbilder 7/8, Schulbuch

6.7 Projekt „Strategieentwicklung 2020“ – Zur neuen Armut im reichen Österreich In reichen Gesellschaften wird Armut dadurch gefördert, dass (Lohn-)Einkommen und Vermögen ungleich verteilt sind. Schätzungsweise gibt es in Österreich um die 30000 Euromil- lionäre. Vermutlich besitzt weniger als ein halbes Prozent mehr als ein Drittel des gesamten Geldvermögens. Die obersten 10 Prozent haben einen Anteil von 54 Prozent am gesamten Geldvermögen der privaten Haushalte. Dieses liegt bei 440 Mrd. Euro. Über zwei Drittel der Haushalte besitzt kein nen- nenswertes Geldvermögen. Zu diesem Ergebnis kommen die Expertinnen und Experten des Sozialberichts 2009/2010 des Sozialministeriums. Doch die Datenlage über Vermögen in Österreich ist nicht transparent. Anderseits gibt es recht genaue Angaben zur Armutssituation. Diese wird unter zwei Gesichtspunkten betrachtet: Man spricht von „Armutsgefährdung“ und von „verfestigter Armut“(„akut arm“). Armutsgefährdet sind Menschen, die weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen (Median) Einkommens erzie- len. Das sind in Österreich im Jahr 2010 ca. 1 Mio. Menschen (12,1%). Wer darüber hinaus noch in der alltäglichen Lebens- führung beeinträchtigt ist , z. B. die Wohnung nicht ausreichend warm halten kann, sich bei Bedarf keine neue Kleidung kaufen kann etc., bei der/dem spricht man von „verfestigter Armut“ bzw. diese Person wird als „akut arm“ bezeichnet (2010: ca. 355000 Personen, 4%) (vgl. Kap. 6.6). L Zwischen 900 000 und 1,1 Mio. Personen in Ös- terreich waren im Durchschnitt in den letzten Jahren von Armut gefährdet. Im Jahr 2010 waren 12,1% (1 004 000 Personen) der österreichischen Be- völkerung armutsgefährdet; 4% (ca. 355 000 Perso- nen) galten als verfestigt bzw. akut arm. (Vgl. EU-SILC 2010, Wien 2011, S. 36ff.) L Die Menschen leben in Substandardwohnungen und in schlechten Wohngegenden; sie sind mit der Zahlung der Miete oder von Krediten im Rück- stand; sie haben Probleme beim Beheizen der Woh- nung; sie können abgenutzte Kleidung nicht ausrei- chend durch neue ersetzen; ihre Freizeitmöglichkei- ten sind eingeschränkt; sie können am gesellschaft- lichen und kulturellen Leben (z. B. Einladungen, Besuch von Kino, Theater, Kauf von Büchern) kaum teilnehmen und können sich übliche Konsumgüter – z. B. Geschirrspüler – oft nicht leisten; Eltern und ihre Kinder fühlen sich oft hilflos und wertlos u. v. m. (Nach: BM f. Arbeit und Soziales: Von Ausgrenzung bedroht 1993, S. 15; BM f. Soziale Sicherheit und Generationen: Bericht über die Sozi- ale Lage, 2004, S. 227 f.) Die Wissenschafter/innen betonen übereinstimmend mehrere Faktoren, welche gegenwärtig für das Abrutschen in die Armut besonders ausschlaggebend sind: L Erwerbslosigkeit: Die zunehmende längerfristige Erwerbslosigkeit zählt zu den Hauptursachen. Dabei sind jetzt soziale Gruppen betroffen, die frü- her vergleichsweise wenig armutsgefährdet waren, wie Facharbeiter oder Personen mit durchaus quali- fizierter Ausbildung. Ein-Eltern-Haushalte: Vermehrte Betreuungsaufga- ben und daher geringere Verdienstmöglichkeiten machen diese Gruppe mit 30% zur am höchsten gefährdeten Gruppe. Rund 87% der Erwachsenen in diesen Haushalten sind Frauen (Alleinerzieherin- nen). Unzureichende Bildung: 21% der Personen „mit höchstens Pflichtschulabschluss“ sind armutsgefähr- det. Nur ein Verdiener: In den Haushalten mit nur einem Verdiener ist die Armut(sgefährdung) um ein Vielfa- ches höher als in Haushalten, in denen ein zweiter Verdiener (z. B. die Frau) vorhanden ist. Mindestens drei Kinder: 20% der Personen in Mehr- personenhaushalten mit mindestens drei Kindern sind von Armut bedroht. Pensionistinnen: Auch allein lebende Frauen mit Pensionsbezug haben nach wie vor ein sehr hohes Armutsrisiko (29%). (Nach BMASK (2011): Armutsgefährdung und Lebensbedingungen in Österreich, Bearb.d.A., S. 50f.) Fragen und Arbeitsaufträge Arbeitet die Expertenaussagen aus den Sozialberichten auf- merksam durch. Fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen und beantwortet folgende Fragen: • Auf wie viel Euro wird laut den Angaben des Sozialminis- teriums das Geldvermögen der obersten 10 Prozent der reichsten Österreicherinnen und Österreicher geschätzt? • Wie viel Euro nimmt man an, dass die 0,5 Prozent der reichsten Österreicherinnen und Österreicher an Geld- vermögen besitzen? • Wie viel beträgt der Anteil der obersten 10 Prozent, wie viel jener der restlichen 90 Prozent am gesamten Geld- vermögen? • Recherchiert: Wie hoch ist das durchschnittliche Pro- Kopf-Einkommen (Medianwert) der Bevölkerung in Ös- terreich? • Was berechtigt dazu, (Lohn-)Einkommen ungleich hoch zu gestalten? Denkt dabei an berufliche Qualifikationen, Schwerarbeit etc. • Wo seht ihr Bedenken gegenüber einer ungleichen (Lohn-)Einkommensgestaltung? 238 Politische Bildung – Kompetenztraining Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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