Zeitbilder 7/8, Schulbuch

geschlossen ist das Recht von Männern und Frau- en, informiert zu werden und Zugang zu sicheren, wirksamen, erschwinglichen und akzeptablen Fa- milienplanungsmethoden ihrer Wahl zu haben. (Internationale Konferenz für Bevölkerungsentwicklung 1994 in Kairo, Aktionsprogramm, Abs. 7.2.; gekürzt, zit. nach: WBB 2004, S. 46) Der Zugang zu Informationen über Familienplanung ist für arme Frauen beschwerlicher und oft beschämender als für wohlhabende. Dadurch liegt der Anteil der Frau- en, die aktive Familienplanung betreiben, in den rei- chen Bevölkerungsgruppen eines Landes deutlich hö- her als in der armen Bevölkerung. Das Risiko, während der Schwangerschaft oder bei der Geburt eines Kindes zu sterben, ist für Frauen in den Entwicklungsländern weitaus höher als in den entwickelten Industrieländern: L 1 zu 19 in Afrika 1 zu 132 in Asien 1 zu 188 in Lateinamerika 1 zu 2 976 in entwickelten Ländern (Bulletin der WHO 3/79, 2001, S. 182–193; zit. nach: WBB 2004, S. 42) Immerhin hatten im Jahr 2003 zahlreiche Entwicklungs- länder erste Schritte zur Verbesserung der reprodukti- ven Gesundheit gesetzt. Dazu gehören die Einstellung und Schulung von Personal, die Verbesserung der Qua- lität der Versorgung, die Einbeziehung von Gemeinden bei der Entwicklung von Programmen u. a. m. Erste Erfolge sind bereits sichtbar: 60 % der verheirate- ten Paare in Entwicklungsländern nutzten im Jahr 2002 moderne Verhütungsmethoden, verglichen mit 10% bis 15% im Jahr 1960. Nobelpreis gegen Armut Der indische Wirtschaftswissenschafter Amartya Sen, der im Jahr 1998 den Nobelpreis für Wirtschaftswissen- schaften erhielt, wies folgendes nach: Einkommen und Vermögen pro Einwohner/in reichen zur Kennzeich- nung für Wohlergehen oder Armut in einem Land nicht aus. Vielmehr sind auch die Lebenserwartung (ausge- drückt durch Gesundheit, Ernährung und Hygiene) so- wie der Bildungsgrad (Alphabetisierungsrate, Einschu- lungsrate) der Bevölkerung heranzuziehen. Bildung der Armen In fast allen Entwicklungsländern hängen Schulbesuch und Bildungsgrad der Kinder besonders stark mit dem Einkommen der Eltern zusammen. Eine allgemeine Grundbildung in nahezu allen Entwicklungsländern ist nur bei Wohlhabenden die Regel. Die Gründe für den niedrigen Bildungsgrad der armen Menschen sind vielfältig: –– Für arme Kinder ist es meist aufwändiger, die nächst- gelegene Schule zu erreichen. Schulen liegen häufi- ger in Städten und dort wiederum in wohlhabenderen Bezirken. –– Die Nachfrage nach Bildung hängt davon ab, ob der Familie der Nutzen von Bildung einsichtig gemacht werden kann. –– Kinder aus armen Familien werden eher zur Arbeit und zum Gelderwerb herangezogen. –– Mädchen besuchen aufgrund eines traditionellen Rol- lenverständnisses in der Regel weniger oft die Schule als gleichaltrige Burschen. L Im Jahr 2000 verfügten rund 31% der Frauen über keinerlei formale Bildung, verglichen mit 18% der Männer. (Lutz, The World’s Changing Human Capital Stock: Multi-State Popula- tion Projections by Educational Attainment; in: Population and Deve- lopment Review 2/27, 2001, S. 323–340) Kriege, Krisen und Konflikte im Inneren führen häufig dazu, dass das Schulwesen zusammenbricht und der Unterricht ausfällt. Um diese Probleme allmählich in den Griff zu bekommen, werden in Entwicklungslän- dern z. B. Nahrungsbeihilfen oder finanzielle Zuschüsse erst dann gewährt, wenn Eltern ihre Kinder in die Schu- le schicken. Mehr Gleichberechtigung der Geschlechter – Stärkung von Frauen Ein großer Teil der Arbeit, den Frauen vor allem in- nerhalb des Hauses bzw. der Familie leisten, fließt nicht in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (BIP) ein, z. B. Erziehung der Kinder, Pflege von kran- ken Familienangehörigen etc. Diese „Unsichtbar- keit“ trägt zur systematischen Ungleichbehandlung von Frauen bei. Daher ist es besonders wichtig, die wirtschaftlichen Leistungen von Frauen zu erkennen. Eine besondere Form der wirtschaftlichen Förderung von Frauen entwickelte der Ökonom Muhammed Yunus aus Bangladesch: Die von ihm (1974) gegründete GRAMEEN-(Bengali = Dorf) Bank vergibt Kleinstkredi- te „zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung von unten”. Es werden z. B. Kleinbäuerinnen und Kleinbau- ern oder Kleinhandwerkerinnen und Kleinhandwerker in Dörfern gefördert. 95 Prozent der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer sind Frauen. Dieses Konzept wurde zunächst in mehr als 60 Ländern erfolgreich zum Auf- bau kleiner (land)wirtschaftlicher Strukturen angewen- det. Yunus erhielt dafür im Jahr 2006 den Friedensno- belpreis. Leider haben gewinnorientierte Mikrobanken dieses Modell in den letzten Jahren in Misskredit ge- bracht. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite die wesentlichen Zielstellungen der einschlägi- gen UNO-Weltkonferenzen hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Armutsbekämpfung heraus. 2. Zahlreiche Studien belegen, dass ein deutlicher Zusam- menhang besteht zwischen dem Bildungsniveau der Eltern – und zwar vor allem der Mütter – und dem Bildungsgrad, den ihre Kinder erreichen. Begründe diesen Zusammen- hang und setze ihn in Beziehung zur Stellung von Frauen in der Gesellschaft. 237 6 Internationale Politik seit 1945 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=