Zeitbilder 7/8, Schulbuch
6.5 NGOs – Für die Menschen und die Umwelt NGOs – ein lästiger „bunter Haufen” – oder die „Avantgarde der Weltbürger”? Die „Non-Governmental Organizations“ – die Nicht- regierungsorganisationen – werden von vielen Poli- tikerinnen und Politikern immer noch als lästige und lautstarke Chaosgruppen bezeichnet. Sie würden die herkömmliche Politik und ihre (häufig bürgerfernen) politischen Entscheidungsgremien stören. Neue Gruppen schlossen sich – verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg – auf freiwilliger Basis zusammen. Sie verlangten mehr Mitentscheidungsrechte von den politischen Entscheidungsträgern und forderten die- se offensiv ein – z. B. in Form von Protestbewegungen. Mittlerweile werden NGOs aber immer öfter als „Hoff- nungsträger“ gesehen für eine stärkere Demokratisie- rung und eine bessere politische Problembearbeitung. Man bezeichnet sie nun mitunter auch als „Ombuds- männer der Gesellschaft“ oder auch als „Anwälte der Natur“. Doch ist Zurückhaltung angebracht: eine „Glo- bal Gouvernance“ durch NGOs, also eine Steuerung der Weltpolitik durch NGOs ist demokratisch nicht le- gitimiert. NGOs sind zwar in demokratischen Systemen möglich und ihr Entstehen zeugt von funktionierenden pluralistischen Demokratien. Sie selbst aber sind nicht aus Wahlen demokratisch hervorgegangen. NGOs – Abgrenzungen, Aufgaben, Ziele L Der Begriff „NGO“ wurde das erste Mal von den Vereinten Nationen im Jahr 1949 gebraucht: The Economic and Social Council may make suitable arrangements for consultation with non-governmen- tal organizations which are concerned with matters within its competence‘. (…) Unter den Begriff NGO sollten nur solche Organisati- onen gefasst werden, • die organisatorisch von Regierung bzw. Staat ge- trennt autonom handeln. D.h. sie verfügen weder über Regierungsämter noch über staatliche Durch- setzungsgewalt; • die keine privaten, gewinnorientierten Interessen verfolgen (non profit), sondern sich und ihre Mittel für öffentliche Angelegenheiten einsetzen. Sie sind also gemeinnützig; • die sich in den allermeisten Fällen als „zivilgesell- schaftliche Organisationen“ für universelle Anliegen engagieren. Sie klagen Gerechtigkeitsforderungen ein, streiten für Menschenrechte sowie für die Rechte zukünftiger Generationen und sie thematisieren glo- bale Umwelt- und Überlebensinteressen; • die ihre Unterstützung in der Regel durch freiwilli- ge Spenden und ehrenamtliche Mitarbeit gewinnen. Neben NGOs bestehen noch Varianten – wie z. B. GONGOS (Governmental organized non-govern- mental organizations) oder QANGO (Quasi non- governmental organizations). Das sind Organisatio- nen, die zwar nicht zum Staatsapparat gehören. Sie sind aber mit ihm verbunden und von staatlicher Förderung abhängig. Somit werden sie teilweise vom Staat gelenkt. (Vereinfacht nach, Take, NGOs im Wandel, 2002, S. 37ff.) Vom Beginn der NGOs Als älteste NGO ist das „Rote Kreuz“ zu nennen, die größte weltweit tätige Hilfsorganisation. In Europa entstan- den vor allem ab den 1960er Jahren wichtige NGOs. Ihre Zielstellungen be- treffen zum einen den Schutz und die Förderung der Menschenrechte, zum anderen die Be- wahrung einer lebenswerten Umwelt. Das kommt letzt- lich wieder der Förderung menschlicher Lebensbedin- gungen zugute. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass diese Organisationen wirksam werden können, ist ihre Arbeit auf globaler, weltumspannender Ebene und ihre internationale Vernetzung. UN-Konferenz Wien 1993 in Wien Bedeutsam in der weltweiten Menschenrechtsbewe- gung war die UN-Konferenz über Menschenrechte 1993 in Wien. Zu ihr waren Vertreter/innen von mehr als 1500 NGOs gekommen. Von Seiten der UNO be- tonte man dort die Beiträge der NGOs zum Schutz der Menschenrechte. U.a. wurde in der „Wiener Erklärung“ durchgesetzt, dass Gewalt gegen Frauen in der Privat- sphäre (z. B. Ehe) als Menschenrechtsverletzung aner- kannt wird. NGOs und Menschenrechte Beinahe jeder, der zu den Be- griffen „NGO“ und „Menschen- rechte“ befragt wird, nennt „Amnesty International“ als die wohl bekannteste nichtstaatliche Menschenrechtsorga- nisation. Q Sie können Ihre Zeitung an jedem x-beliebigen Tag aufschlagen und werden darin eine Meldung finden, dass jemand irgendwo auf der Welt gefangen genommen, gefoltert oder hingerichtet wurde, weil seine Ansichten oder Religion der Regierung nicht passten. (Benenson, Die vergessenen Gefangenen; in: The Observer, London, 28. 5. 1961; zit. nach: Engelmann/Fiechtner (Hg.), Aller Menschen Würde. Ein Lesebuch für Amnesty International, 2001) Mit diesem Satz beginnt die Geschichte der Organisation Amnesty International, die sich diesen Namen offiziell im Jahr 1962 zugelegt hat. Seither tritt Amnesty Internatio- nal gegen den Missbrauch staatlicher Gewalt im Allge- meinen und gegen die Verletzung der Menschenrechte weltweit auf. Mit intensiver Aufklärungsarbeit, sorgfälti- gen Nachforschungen und genauer Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen wurde Amnesty Internati- onal zur am meisten anerkannten und einflussreichsten Menschenrechtsorganisation der Welt. Die Sektion „Amnesty-Österreich“ wurde im Jahr 1970 gegründet. Für seine Tätigkeiten hat Amnesty International 1977 den Friedensnobelpreis und 1978 den UNO-Menschen- 234 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verla s öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=