Zeitbilder 7/8, Schulbuch

6.4 Die Bevölkerung in der globalisierten Welt Ungebremstes Wachstum? Nach Berechnungen der Vereinten Nationen hat die Weltbevölkerung am 12. Oktober 1999 die 6-Milliarden- Grenze überschritten. Die 7-Milliarden-Grenze wurde im Jahr 2011 erreicht. Voraussichtlich wird die Weltbe- völkerung bis zum Jahr 2050 um weitere 2,5 Mrd. Men- schen anwachsen. Dieser Zuwachs entspricht fast ge- nau der Größe der Weltbevölkerung im Jahr 1950. Die Bewältigung der Zunahme der Weltbevölkerung wird somit zu einer entscheidenden Herausforderung in der Menschheitsgeschichte.  Erstelle aus diesen Informationen eine Schaugrafik. Inter- pretiere sie unter Bezugnahme auf die in diesem Kapitel dargestellten Inhalte. Menschenrechte statt repressiver Familienplanung Auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo (1994) wurde eine neue Ära der Bevölkerungspolitik eingelei- tet. L Seit Kairo 1994 gibt es keine ethische Grundlage mehr für Bevölkerungskontrolle im Sinne staat- lich diktierter und kontrollierter Fruchtbarkeitsni- veaus. Ethisch – und auf lange Sicht weitaus effek- tiver als staatliche Kontrollen – ist eine Politik, die Frauen und ihre Partner in die Lage versetzt, selbst zu bestimmen, ob und wann sie Kinder haben möch- ten. Das sollte auf eine Weise möglich sein, dass die Frauen gesund bleiben und die der Gleichbehand- lung der Geschlechter in allen Bereichen des wirt- schaftlichen und sozialen Lebens förderlich ist. (vgl. UNFPA Weltbevölkerungsbericht 2009, Kurzfassung, S. 37) Bisher hatte man in den Entwicklungs- bzw. Schwel- lenländern versucht, über Anreize und Sanktionen den Kinderwunsch in Familien gering zu halten. In einigen Ländern wurden die Beihilfen für Kinder gekürzt oder es wurden Zuschläge zur Lohn- und Einkommenssteuer eingehoben, sobald in einer Familie eine gewisse Kin- deranzahl überschritten wurde. Andere Länder bevor- zugten kleine Familien bei der Vergabe von staatlichen Wohnungen oder begünstigten deren Kinder bei der Zulassung zu Schulen. Die chinesische Familienpoli- tik setzte mit repressiven Maßnahmen die Ein-Kind- Familie vor allem in den Städten durch; in Indien gab es lange Zeit Sterilisierungsprogramme als staatliche Familienplanungsmaßnahmen. Solche Maßnahmen sind – neben grundsätzlichen ethischen Bedenken – äußerst problematisch. Aufgrund der weitgehend feh- lenden sozialen Sicherungssysteme (z. B. Alters- oder Arbeitslosenversicherung) in den Entwicklungs- und Schwellenländern galt nämlich eine hohe Kinderzahl in der Familie als wichtige Altersversorgung. Die arbei- tenden Kinder hatten überdies das Familieneinkommen aufzubessern. Eine chinesische Journalistin berichtet über ein Gespräch in einem Spital: Q Viele der Frauen schienen schwach und ver- ängstigt. Eine von ihnen saß am Boden, allein. Sie war zierlich, wirkte zerbrechlich und sehr hilf- los. Ich erfuhr, dass sie ihr fünftes Kind abtreiben lassen muss. Mit Unbehagen fragte ich, warum sie nochmals schwanger geworden sei. „Ich wollte mich selbst beweisen“, sagte sie müde. „Ich habe vier Mädchen geboren, und sie heißen Zhaodi (= einen Bruder erbitten), Pandi (= einen Bruder erwarten), Xiangdi (= an einen Bruder denken) und Sidi (= nach einem Bruder sich sehnen). Aber noch ist kein Bruder gekommen. Auf dem Land giltst du als minderwertig, wenn du keine Söhne bekommst. Ich möchte, dass mich die Menschen respektieren. Aber jetzt kann ich nicht mehr. (The Independent, 11. 9. 1991, S. 25; eigene Übersetzung) Seit Kairo rücken die Staaten trotz der Bedeutung der globalen Bevölkerungszahlen und Wachstumsraten die Menschen und Menschenrechte ins Zentrum der poli- tischen Überlegungen. Es sollen Bevölkerungsfragen mit der menschlichen Entwicklung, mit der Gleichbe- handlung der Geschlechter und mit den Bedürfnissen und Rechten der einzelnen Personen verbunden wer- den. Man erkannte, dass die Investitionen in Bildung, Gesundheit und Gleichstellung der Geschlechter den Menschen zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten er- öffnen. Dies fördert das Wirtschaftswachstum und sta- bilisiert auch die Bevölkerungszahlen. L Wenn Frauen und ihre Partner die Angebote der Familienplanung nutzen können, dann sinkt die Fruchtbarkeitsrate. Das zeigen demographische For- schungen seit vielen Jahrzehnten. Insbesondere in Verbindung mit einer besseren Bildung für Mädchen und mehr wirtschaftlichen Möglichkeiten für Frauen sind die Angebote und Hilfsmittel der Familienpla- nung sehr wirksame Methoden, um den Zeitpunkt der ersten Schwangerschaft hinaus zu zögern und die endgültige Familiengröße zu reduzieren. (UNFPA Weltbevölkerungsbericht 2009, Kurzfassung, S. 37, Bearb.d.A.) So etwa geht die Zahl der Kinder pro Familie in den Hauptregionen (Kontinenten) der Erde ab den 1990er Jahren deutlich zurück. Die Prognosen sprechen davon, dass sich dieser Trend auch im 21. Jh. fortsetzen wird. Die in der nebenstehenden Grafik „(Prognostiziertes) Bevölkerungswachstum“ erkennbare Zunahme der Be- völkerung ergibt sich aus der Alterung , d.h. dass die Menschen länger leben. Das Altern – eine neue Herausforderung Der Bevölkerungsanteil der Menschen, die älter als 65 Jahre sind, wird sich in den meisten Entwicklungsgebie- ten in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln. Dies wird vor allem in Ländern, wo traditionellerweise die Familie die Altenpflege übernimmt, zu Problemen führen. Denn 232 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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