Zeitbilder 7/8, Schulbuch

... im Rahmen des Islam Die Verwirklichung eines islamischen Staates und die Bekämpfung zunehmender „Verwestlichung“ gehö- ren zu den Hauptzielen islamisch fundamentalistischer Bewegungen. Zu ihren bedeutendsten Gruppen zähl- ten lange Zeit die „Muslimbrüder“ (gegründet 1928 in Ägypten). Sie sahen in der Religion das Modell für alle sozialen und politischen Handlungen und den Ko- ran sowie das von ihm ausgehende göttliche Recht, die Scharia, als einzige Richtlinie. Von der islamischen Re- volution im Iran (1979) ausgehend erlangten diese Ide- en in der übrigen islamischen Welt – von Ostasien über Nordafrika bis Europa – zunehmend an Bedeutung (z. B. Al Qaida). 2014 riefen islamistische Fundamentalisten im Nahen Osten sogar einen eigenen Staat aus (IS, Is- lamischer Staat); im Nordosten Nigerias kämpft die is- lamistische Terrorgruppe Boko Haram („westliche Bil- dung ist unrein“) ebenfalls um einen Gottesstaat. Bassam Tibi, einer der führenden Islamkenner meinte dazu: L Islamische Fundamentalisten sollen nicht au- tomatisch mit der Religion des Islam assoziiert werden, wie es die westlichen Medien gewöhnlich zu tun pflegen. Der Islam ist eine vierzehn Jahrhunder- te alte Zivilisation, wohingegen die Fundamentalis- ten einen neuen Trend im Islam darstellen. (...) Die Verherrlichung der Gewalt im Namen der Religion bleibt nicht allein auf muslimische Fundamentalisten beschränkt. (Tibi, Krieg der Zivilisationen, 2001, S. 225f.) Necla Kelek, eine türkischstämmige Universitätspro- fessorin für Soziologie in der BRD, sagte anlässlich der Verleihung des Friedenspreises 2010 in Frankfurt u.a.: L Der politische Islam – und ich meine damit z. B. die Konferenz der 45 Staaten der islamischen Konferenz – stellt die Menschenrechte unter den Vor- behalt der Scharia, ihres göttlichen Rechts. (…) Es ist deshalb schwer, Islam und Islamismus voneinander zu trennen. (Necla Kelek: Lassen Sie uns über Freiheit sprechen! Frankfurt , 2010) Fundamentalismus als Herausforderung: Wertediskussion und Dialogbereitschaft Fachleute meinen, dass der Umgang mit dem Funda- mentalismus dazu zwingt, sich mit eigenen Wertorien­ tierungen zu beschäftigen. Jedes Gemeinwesen – von der Familie bis zum Staat – brauche eine Mindestüber- einstimmung an Werten, denen sich die Mitglieder ver- pflichtet fühlen. Eine solche Mindestübereinkunft an Grundwerten mache es überhaupt erst möglich, unter- schiedliche pluralistische Wertvorstellungen zu leben. Die Politik habe den Freiraum dafür zu sichern, damit unterschiedliche religiöse oder weltanschauliche Orien- tierungen gelebt werden können. Dazu seien kritische Toleranz und ein interkultureller Dialog nötig. W Via Fernsehen verbreiten christliche Fundamentalisten ihre Botschaften. Auf dem Bild zu sehen ist der Fernsehprediger Billy Graham, einer der bekanntesten US-Evangelistenprediger, bei einer Massenveranstaltung in San Diego, Kalifornien im Mai 2003. Der Einfluss auf die Politik ist durchaus gegeben, wie etwa die Tea-Party-Bewegung zeigt. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die kennzeichnenden Merkmale des Fundamen- talismus zusammen und arbeite kritische Sichtweisen (an- hand der vorliegenden Merkmale) dazu heraus. 2. Erörtert das Problem, wie man einen Dialog mit Men- schen führen kann, die ihre „Wahrheit“ nicht mehr in Frage stellen wollen. 225 6 Internationale Politik seit 1945 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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