Zeitbilder 7/8, Schulbuch

6. Die USA – die neue Weltmacht Isolationismus und Wohlstand für viele Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg trug ganz wesentlich zum Sieg der Westmächte bei. Ein Motiv für das militärische Eingreifen auf Seiten der Entente lag einerseits darin, der Demokratie weltweit zum Durchbruch zu verhelfen. Andererseits hatten die USA aber auch große wirtschaftliche Interessen: Wäh- rend des Krieges hatte die amerikanische Wirtschaft ihre Produktionskapazität beträchtlich gesteigert. An Frankreich, Großbritannien, Belgien und Italien waren Kredite in Milliardenhöhe vergeben worden. Ein wich- tiges Interesse der USA bestand darin, dass die ehe- maligen europäischen Kriegspartner ihre Schulden be- zahlen und amerikanische Unternehmen möglichst viel nach Europa exportieren konnten. Die USA traten der Pariser Friedensordnung nicht bei. Sie schlossen später mit den „Verliererstaaten“ eigene Verträge ab, worin sie auf Reparationen verzichteten. Ab 1920 bestimmten die Befürworter des „Isolationis- mus” die amerikanische Politik. Diese traten für eine Außenpolitik ein, die amerikanische Interessen in den Mittelpunkt stellte. Trotz isolationistischer Politik blie- ben die USA aber wirtschaftlich und finanziell eng mit Europa verflochten. In Mittel- und Südamerika wurde das Wirtschaftsleben immer stärker von US-Kapital durchdrungen. Die wirtschaftlichen Impulse kamen al- lerdings kaum den lateinamerikanischen Staaten selbst zugute. Einer kleinen, aber reichen Oberschicht, der fast das gesamte Land gehörte, stand die Masse der Bevölkerung gegenüber. Sie lebte am Rand des Exis- tenzminimums. Gestützt auf das Militär und die Hilfe der USA konnten alle Erhebungen gegen diese Gesell- schaftsordnung bis zum Zweiten Weltkrieg niederge- halten werden. Im ersten Jahrzehnt nach Kriegsende boomte die ame- rikanische Wirtschaft. Man nennt diese Zeit daher auch „prosperity“ (Wohlstand). Die riesigen Kriegsgewinne ermöglichten die verstärkte Einführung modernster Produktionsmethoden. Die Wirtschaft der USA wurde rationalisiert, mechanisiert und elektrifiziert. Für die Massenproduktion von Autos setzte Henry Ford in sei- nem Werk in Detroit als erster Fließbänder ein. Neben Autos wurden Konsumgüter wie Kühlschrank, Wasch- maschine, Radio oder Telefon für weite Kreise der ame- rikanischen Bevölkerung erschwinglich. Börsenkrach und Wirtschaftskrise Der Wirtschaftsaufschwung in den Zwanzigerjahren war verbunden mit einem rasanten Anstieg der Akti- enkurse. Immer mehr Menschen kauften Aktien, für die sie oft nur eine Anzahlung leisten mussten. Den Restbe- trag finanzierten die Banken. Diese behielten aber die Aktien als Sicherheit zurück. 1928/29 sanken wegen der Überproduktion zuerst die Preise für Getreide. Vie- le Farmer gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Auch bei den Konsumgütern stockte der Absatz. Dies führte zu Einschränkungen der Produktion, zu Kurzar- beit und Entlassungen. Nun befürchteten viele Aktien- besitzer einen raschen Wertverlust ihrer Papiere. Sie stießen diese daher schnell ab, auch unter ihrem Wert. Der Sturzflug der Kurse begann. Innerhalb einer Woche fielen die Aktienkurse auf einen nie gekannten Tief- stand. Je mehr aber die Kurse sanken, umso hektischer wollten immer mehr Menschen verkaufen. Panik brei- tete sich aus. Am 24. Oktober 1929 brach an der New Yorker Wall Street der Aktienmarkt zusammen. An die- sem „Black Thursday“ (in Europa aufgrund der Zeitver- schiebung meist als „Schwarzer Freitag“ bezeichnet) wurden fast 13 Millionen Aktien verkauft, wobei die Besitzer etwa 5 Milliarden Dollar verloren. Noch höher waren die Verluste in den nächsten Tagen. Anzahlun- gen und Bankanteile gingen verloren. Zahlreiche Ban- ken mussten ihre Zahlungsunfähigkeit erklären und die Schalter schließen. Der Bankier James P. Warburg schreibt über diese Tage in seiner Autobiografie: Q Während des Zusammenbruchs des Aktienmark- tes arbeiteten wir Tag und Nacht und versuch- ten, so viele Kunden wie möglich zu halten. Tag für Tag wurden weitere Maklerfirmen zahlungsunfähig. Zweimal habe ich Männer aus Fenstern der Wall Street springen sehen. Andere erschossen sich, hat- ten Nervenzusammenbrüche oder Herzattacken. (Zit. nach: Treue, Deutschland in der Weltwirtschaftskrise in Augenzeu- genberichten, 1976, S. 20) Die Folgen von Börsenkrach und Wirtschaftskrise wa- ren katastrophal: Durch die Produktionseinschränkun- gen kam es bald in fast allen Industriezweigen zu Mas- senentlassungen. Da es keine Arbeitslosenversicherung gab, erhielten die Betroffenen auch keine Unterstüt- zung. Das Absinken von Nachfrage, Preisen und Löh- W Eine zweiunddreißig Jahre alte Mutter von sieben Kindern in einem Lager für Wanderarbeiter/innen, die als Erbsenpflücker/innen arbeiten (Nipomo, Kalifornien, USA). Sie und ihr Mann haben ihr Zelt verkauft, um Lebensmittel zu kaufen. Foto von Dorothea Lange, 1936. 22 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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