Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Wirtschaftskrise 2008-2010 nicht absehbar, wann eine Stabilisierung erreicht sein wird. Soziale Folgen der Krise Als gravierendste Folge der jahrelangen Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes leben rund die Hälfte der 36 Mio. Einwohner/innen Argentiniens an oder sogar unter der Armutsgrenze. Die traditionell breite Mittel- schicht verringerte sich von ehemals 60% auf 20% der Bevölkerung. Diese soziale Problematik lässt viele Men- schen befürchteten, dass die Regierung durch den vom IWF geforderten Sparkurs bisher öffentliche Dienstleis- tungen privatisieren wird. Daraus folgt, dass der Staat sich in Zukunft noch weniger um das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie um die Milderung der sozia- len Not kümmern wird. Darüber hinaus richten sich die Proteste gegen die verbreitete Korruption. Das Erbe der Militärdiktatur und seine Aufarbeitung Während der Militärdiktatur (1976–1983) wurden von- seiten der Regierung zahlreiche Verbrechen an der Be- völkerung verübt. Deren politische und vor allem recht- liche Ahndung wird erst in jüngster Zeit konsequenter betrieben. Im Juli 2003 wurden von einem Richter Haft- befehle gegen 45 Mitglieder der früheren Militärjunta erlassen. Unter ihnen befindet sich auch Jorge Rafael Videla, der von 1976 bis 1978 Staatspräsident und Ober- kommandierender des Heeres war. Zugleich wurde ein Dekret aufgehoben, das die Auslieferung ehemaliger Militärs untersagte, die während der Diktatur Men- schenrechtsverletzungen an Ausländerinnen und Aus­ ländern, vor allem an spanischen Staatsangehörigen, begangen hatten. Darüber hinaus hob das Parlament die Amnestiegesetze aus den Jahren 1986 und 1987 auf, die unter den Titeln „Schlusspunktgesetz“ und „Gesetz über Befehlsnotstand“ eine gerichtliche Verfolgung der Verbrechen blockierten. Schließlich ratifizierte das Parlament Ende 2003 auch eine Konvention der UNO, wonach Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren. Der Oberste Gerichtshof entschied 2005, dass neue Verfahren gegen ehemalige Mitglieder der Militärjunta zu eröffnen sind. Solche werden auch ge- genwärtig noch geführt. Das geschieht im Unterschied z. B. zu Brasilien, wo noch 2010 ein Amnestiegesetz vom obersten Gerichtshof aufrecht erhalten wird. Brasilien: ein regionaler Hegemon Wahl einer neuen Regierung Nach den Jahren der Militärdiktatur (1964-1985) war es das Ziel der Regierungen, die Wirtschaftsdaten durch umfangreiche Privatisierungen, Liberalisierung des Au- ßenhandels und die Öffnung des Marktes für auslän- disches Kapital zu verbessern. Brasilien geriet dadurch allerdings in Abhängigkeit zum IWF und zur Weltbank. Hinzu kam, dass zur Bekämpfung der Massenarmut und gegen die Vernichtung des Regenwaldes wenig getan wurde. Im Wahlkampf 2002 versprach Luiz Inácio Lula da Silva einschneidende soziale Reformen. Gleichzeitig kündig- te er aber auch an, die Verpflichtungen seines Landes gegenüber dem IWF einzuhalten. Er gewann dadurch schon vor seinem Amtsantritt die Sympathien der inter- nationalen Finanzwelt. Lula wurde mit 61,4% der Stimmen gewählt. Er gehörte W Argentinische Männer sitzen vor Anti-USA-Postern gegen Präsident Bush in Mar del Plata vor dem 4. Lateinamerika-Gipfel (November 2005). 197 6 Internationale Politik seit 1945 Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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