Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Republiken, 8 autonomen Gebieten und 10 autonomen Kreisen. Doch der Zusammenhalt dieser Einheiten war durch eine Vielzahl von Faktoren belastet. Zur sprach- lichen, kulturellen und religiösen Vielfalt kamen unter- schiedliche historische Entwicklungen der einzelnen Regionen. Schließlich sahen sich viele in den einzelnen Unionsrepubliken als Opfer eines russischen Imperia- lismus. Die russische Bevölkerungsgruppe erhob den Führungsanspruch und dominierte Partei, Verwaltung, Wirtschaft und Armee. Das Russische verdrängte die anderen Sprachen aus den Schulen und Ämtern. Mit Glasnost setzte eine Welle des Aufbegehrens ein. Sie richtete sich gegen die Zentralmacht in Moskau. In den baltischen Republiken setzten sich die Bestrebungen nach Unabhängigkeit als Erstes durch. Im März 1990 beschloss Litauen den Austritt aus der Sowjetunion. Der Wunsch nach Selbstständigkeit griff jedoch auch auf Russland und die Ukraine über. Nun wollte Staatspräsi- dent Gorbatschow den Zusammenhalt der Sowjetunion mit einem neuen Vertrag regeln. Ein konservatives „Notstandskomitee“ wollte mit ei- nem Putsch im August 1991 diese Veränderungen ver- hindern. Doch dieser Putsch scheiterte schon nach drei Tagen. Die Kommunistische Partei wurde in zahlreichen Republiken verboten. Gorbatschow trat als ihr General- sekretär zurück. Er erklärte die Auflösung der Partei. Im September 1991 beschloss der Kongress der Volksdepu- tierten in Moskau die Umwandlung der Sowjetunion in einen Bund unabhängiger Republiken. Am 21. Dezember 1991 gründeten 11 der 15 Sowjetre- publiken die „Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“ (GUS). Das bedeutete das Ende der UdSSR: Noch am gleichen Tag löste sich das sowjetische Parlament auf und einen Tag später trat Staatspräsident Gorbatschow zurück. Die Republik Georgien entsandte zu diesem Treffen nur Beobachter (und trat erst 1994 der GUS bei). Die drei baltischen Republiken (Lettland, Estland und Litauen) hatten daran gar nicht mehr teilgenommen. Sie waren bereits als unabhängige Staaten anerkannt. Russland als Nachfolgestaat der Sowjetunion Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, die Entste- hung neuer, unabhängiger Staaten auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion und deren Beziehungen zu anderen Großmächten veränderten die Rahmenbe- dingungen für die russische Außen- und Sicherheitspo- litik grundlegend. Sie machten eine Neubestimmung der Position Russlands in der internationalen Politik not- wendig. Hinzu kam die Befürchtung, im europäischen, kaukasischen, zentralasiatischen und asiatisch-pazifi- schen Raum weiter an Einfluss zu verlieren. Konkreten Anlass dafür boten zunächst die Osterweite- rungen der NATO 1999 und 2004. Dadurch traten Staa- ten des ehemaligen sowjetischen Einflussbereiches so- wie ehemalige Sowjetrepubliken diesem Militärbünd- nis bei. Aber auch die Folgen des 11. September 2001 zeigten dies konkret auf: L Heute sieht sich der Kreml vor vollendete Tatsa- chen gestellt. Im Gefolge des Afghanistan-Krie- ges errichteten die Vereinigten Staaten in Usbekis- tan und Kirgistan offenkundig auf Dauer angelegte Militärbasen, sie erwirkten die Nutzung militärischer Einrichtungen in Tadschikistan und Kasachstan und steckten ihre Fühler bis nach Georgien aus. (Le Monde diplomatique, Jänner 2003, S. 49) Russland – alte Probleme, neue Herausforderungen Die „Russische Föderation“ verfügt über Staatsgrenzen, deren Verlauf noch nicht überall endgültig geregelt ist. Dies gilt vor allem gegenüber den baltischen Staaten Estland und Lettland sowie für die Enklave Kalinin- grad an der Ostsee. Diese grenzt zwar an Polen und Litauen, nicht aber an Russland. Darüber hinaus wird vielfach die Idee eines ethnisch definierten russischen Staates vertreten. Ihre Anhänger wollen sich mit den heutigen Grenzen nicht abfinden. Sie verweisen auf die rund 19 Mio. Russinnen und Russen, die heute in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion leben. 2014 an- nektierte Russland unter Hinweis auf die mehrheitlich russische Bevölkerung die zur Ukraine gehörende Krim. Dort befindet sich auch der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. In der Folge unterstützte Russland militärisch auch die Kämpfe prorussischer Separatisten in der Ostukraine. Umgekehrt ist auch Russland mit mehr als 160 Natio- nalitäten ethnisch sehr heterogen. Hinzu kommen 10 Mio. migrantische Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter aus Zentralasien und dem Kaukasus. Mögliche Prozes- se der Dezentralisierung oder gar des Separatismus so- wie wachsende Fremdenfeindlichkeit gehören zu den zentralen Befürchtungen der Staatsführung. In dieser Hinsicht kommt verschärfend hinzu, dass in Russland die Bevölkerungszahl dramatisch sinkt. Betrug sie 1993 noch 148,3 Mio., so prognostizieren Schätzungen bis 2016 einen Rückgang auf ca. 130 Mio. Bis heute entwickelten sich die Demokratie und der Rechtsstaat nur langsam. Beispielsweise meint die an- gesehene ARD-Korrespondentin für Russland Sonia Mikich anlässlich der Ermordung der regimekritischen W Funktionäre aus Partei, Militär und Geheimdienst hatten Gorbatschow (links im Bild) durch einen Putsch 1991 entmachtet. Jelzin gelang es, das Militär auf seine Seite zu ziehen. Er verhinderte dadurch einen Rück- fall in den Kalten Krieg. Radikale Reformen wie das Verbot der KPdSU und die Auflösung der Sowjetunion folgten. Fotografie, 22. August 1991. 190 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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