Zeitbilder 7/8, Schulbuch

führten viele Staaten, darunter die USA, Deutschland und Österreich (1918), das Frauenwahlrecht ein. Frau- en wurden nun als neuer politischer „Machtfaktor“ er­ kannt. Politische Parteien wandten sich daher verstärkt Frauenbelangen zu, die Wirtschaft warb nun um Kon- sumentinnen. Frauen rückten in der Werbung in den Vordergrund. Dies hängt auch damit zusammen, dass eine kleine Schicht von Frauen über neue Möglichkei- ten verfügte: Mit der Vergrößerung der Betriebe wuchs der Dienstleistungsbereich an; damit auch die Zahl der Angestellten. Junge Frauen mit einer guten Ausbildung fanden nun vermehrt Arbeit als Sekretärinnen, Steno­ typistinnen und Telefonistinnen. Diese vorwiegend in den Städten lebenden Frauen orientierten sich an der Modeindustrie und an den damals neuen Illustrierten. Sie stellten den neuen Frauentypus dar: berufstätig, selbstbewusst, wirtschaftlich unabhängig. Das äußere Erscheinungsbild mancher Frauen änderte sich in den Zwanzigerjahren: Kurze Haare (Bubikopf), kürzere Röcke, Rauchen und Trinken in der Öffentlich- keit, die Teilnahme an Vergnügungen aller Art ohne Männerbegleitung und die Ausübung von Sport scho- ckierten viele Zeitgenossen. Für die meisten Frauen aber änderte sich im Vergleich zur Vorkriegszeit we- nig: Bäuerinnen und Arbeiterinnen mussten weiterhin schwere körperliche Arbeit verrichten, viele waren als Mütter zudem mehrfach belastet. Von einer wirklichen Gleichstellung mit den Männern war jedoch auch beim neuen „Typ“ der berufstätigen Städterin keine Rede: Berufliche Aufstiegschancen boten sich kaum, ihr Lohn lag weit unter dem ihrer männlichen Kollegen. Eine Wiener Sekretärin schreibt 1931: Q Oh, dieses ewige Zimmeraufräumen, diese quä- lende, klebende, tägliche Hausarbeit der hundert Handgriffe. Niemand zählt sie, aber Millionen Minu- ten müssen ihnen geopfert werden. Und dann – Sor- gen über Sorgen – die ewige Kleiderfrage. Die Mehr- zahl der weiblichen Angestellten muss allein für die Instandsetzung der Garderobe sorgen. Strümpfe stopfen, Wäsche flicken, Kleider ändern oder sogar nähen. Kein Mann braucht diese Nebenarbeit zu leisten, für die Frau aber wird dieses Muss ein Ar- gument für ihre Minderbezahlung ausgenützt – sie kann dadurch billiger leben (…) Wer für die Freiheit der Frau kämpft, der muss sie lehren, an ihr Leben Ansprüche zu stellen! Erst dann wird sie nicht mehr billiger arbeiten können als der Mann. Sie soll es auch nicht. (Österreichische Angestelltenzeitung 1931, Nr. 279, zit. nach: Appelt, Von Ladenmädchen, Schreibfräulein und Gouvernanten. 1985, S. 86) Analysiere die Situation von weiblichen Angestellten an- hand der Quellenstelle oben. Welche Gründe werden für die geringere Bezahlung von Frauen angeführt? W Selbstporträt der berühmten polnischen Art-Deco-Künstlerin Tamara de Lempicka (1898–1980). Sie malte es 1929 im Auftrag des Berliner Frauenmagazins „Die Dame”. W Ausschnitt aus dem Gemälde „City Activities“ des Amerikaners Tho- mas H. Benton, 1931. Mit seinen Werken wollte er die eigene ameri- kanische Kultur und Lebenswelt darstellen. Sie sollten daher möglichst unbeeinflusst von europäischen Kunstrichtungen und Traditionen sein. Beschreibe das Bild oben. Erkläre, warum sich die Künst- lerin wohl in einem Auto dargestellt hat. 19 1 Die Zwischenkriegszeit Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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