Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Der „Feldzug gegen die Armut“ brachte Erfolge. Inner- halb weniger Jahre sank die Zahl der Menschen, die an der Armutsgrenze lebten, von rund 35 Millionen auf 10 Millionen. Die finanziellen Mittel für sozialpolitische Maßnahmen wurden allerdings bald knapp. Denn vor allem der Krieg in Vietnam verschlang Unsummen. Bürgerrechtsbewegung, Protest und Gewalt Bis zum Zweiten Weltkrieg herrschte in den USA eine recht klare Rassentrennung zwischen Weiß und Schwarz – vor allem in den Südstaaten. Während des Krieges geriet diese Haltung zunehmend ins Wanken, da die Schwarzen genauso für die USA kämpften wie die Weißen. 1948 hob Präsident Truman die Rassentren- nung in allen staatlichen Behörden und Einrichtungen auf, 1954 beschloss dann der Oberste Gerichtshof die Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen. Ein großer Teil der weißen Bevölkerung wehrte sich dagegen, vor allem gegen den Zutritt der Schwarzen zu den Schulen. Dies führte am Ende der 1950er-Jahre besonders im Süden der USA zu schweren Unruhen. Gleichzeitig entwickelte sich aber auch eine gewalt- lose Bürgerrechtsbewegung, die von Schwarzen und vielen Weißen gemeinsam getragen wurde. Sie wollte mit Schweigemärschen, Boykotten und „Sit-ins“ die Gleichbehandlung der Schwarzen erreichen. Ihr be- kanntester Repräsentant war der schwarze Pfarrer Mar- tin Luther King, der 1964 auch den Friedensnobelpreis erhielt. Neue Gesetze der Regierung Johnson verboten die Rassentrennung im gesamten öffentlichen Leben und eröffneten den Schwarzen den Zugang zu Füh- rungspositionen in Wirtschaft und Verwaltung. Militan- te Gruppen („Black Panther“, „Black Muslims“) sagten sich von den Zielen der Bürgerrechtsbewegung los und lehnten die Integration in die Gesellschaft ab. Mitte der Sechzigerjahre kam es in vielen amerikanischen Groß- städten zu schweren Unruhen: Q In ihrem 1968 veröffentlichten Bericht kritisierte die (von Präsident Johnson eingerichtete) Kom- mission nicht nur die militanten Schwarzen, sondern auch die Polizei als Verursacher vieler Übergriffe. Die Hauptursache sei jedoch der weiße Rassismus, der das Leben in Amerika durchdringe. Wie zur Be- stätigung des Untersuchungsergebnisses wurde Mar- tin Luther King (…) im April 1968 von einem Weißen erschossen. (Wynn, Die 1960er-Jahre, 1984, S. 416) Aufgrund der Bürgerrechtsbewegung verringerten sich die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen schwarzen und weißen US-Bürgerinnen und -Bürgern. Tatsächlich entstand eine neue schwarze Mittelschicht, die es auch zu materiellen Wohlstand brachte. Im Allgemeinen blie- ben jedoch die Ungleichheiten und zahlreiche Rassis- men (z. B. Polizeiübergriffe, Verurteilungen) bestehen. Zur allgemeinen politischen Radikalisierung trug auch der Vietnam-Krieg bei. Dort standen Schwarze neben Weißen im Krieg. Zuhause in den USA hingegen soll- ten sie nicht gleichberechtigt sein? Der Krieg in Viet- nam (1965–1973, vgl. S. 202 f.) führte darüber hinaus zu massiven Jugend- und Studentenprotesten. Zehn- tausende Amerikaner starben in Vietnam oder kehrten versehrt, krank oder drogensüchtig zurück. Die brutale Art der Kriegsführung gegenüber Zivilisten – sie war täglich im Fernsehen zu sehen – sowie die Halbwahr- heiten der amtlichen Meldungen über das tatsächliche Kriegsgeschehen führten zu Protesten. Junge Männer zerrissen ihre Einberufungsbefehle und flüchteten ins Ausland. Eine tiefe Spaltung durchzog die amerikani- sche Gesellschaft. Erst in den frühen Siebzigerjahren ließen die inneren Unruhen wieder nach, doch das „Trauma Vietnam“ hielt sich noch lange. Die indigene Bevölkerung – ein Volk ohne Hoffnung? Im Gefolge der Gründung der „American Indian Move- ment“ (1968) stufte die Regierung die indigene Bevöl- kerung als die am stärksten benachteiligte Minderheit ein. Von ihnen lebten 1970 inner- und außerhalb der 244 Reservationen rund 800 000 Personen. Wohl wurden Projekte zur Verbesserung ihrer Lebenslage gestartet, doch die Mittel dafür waren gering. 1975 kam es bei Wounded Knee – einem historischen Ort des Krieges gegen die indigene Bevölkerung im 19. Jh. – zu einem vergeblichen Aufstand gegen dieses Elend. Seither wird versucht, Rechte auf dem Klageweg einzufordern. Im Jahr 2009 endete ein 13-jähriger Rechtsstreit zwischen der US-Regierung und Gruppen der indigenen Bevöl- kerung. Dabei erhielten die Kläger ca. 1,4 Mrd. Dollar als Abgeltung für beschlagnahmtes Land zugesprochen. Weitere 2 Mrd. Dollar will die Regierung zum Ankauf von Land für die indigene Bevölkerung einsetzen. Mehrfacher politischer Richtungswechsel Die Unruhen der Sechzigerjahre lösten eine starke konservative Gegenströmung aus. Durch sie gelangte 1968 der Republikaner Richard Nixon zur Präsident- schaft. 1974, zwei Jahre nach seiner Wiederwahl wurde bekannt, dass im Wahlkampf 1972 in das Wahlkampf- zentrum der Demokraten im Watergate-Gebäude in Washington eingebrochen worden war. Auftraggeber dieses Einbruchs standen mit den engsten Mitarbeitern Nixons in Verbindung (Watergate Skandal). Um einem Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen, trat der Präsident zurück. Mit der Wahl des Demokraten Jimmy Carter zum Präsi- denten (1976) änderte sich die amerikanische Außenpo- litik. Sie weckte vielfach Hoffnungen auf eine internatio- nale Entspannung. Doch 1979 marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein. In der iranischen Hauptstadt Teheran stürmten Anhänger des Revolutionsführers Kho- meini die Botschaft der USA und nahmen das Personal als Geiseln. All dies trug dazu bei, dass Carter 1980 die Wahlen gegen den Republikaner Ronald Reagan verlor. Mit Reagan begann die konservativeWende. Wirtschafts- politisch bedeutete sie Steuersenkungen, sozialpolitisch aber Kürzungen von Sozialleistungen. Dies nützte den Wohlhabenden, traf aber viele sozial Schwache. Die Arbeitslosigkeit stieg zeitweise auf über 10 %. Die Rüs- tungsausgaben wurden erheblich gesteigert. Dies zwang die Sowjetunion in einen Rüstungswettlauf, der sie wirt- schaftlich und politisch ruinieren sollte. 185 6 Internationale Politik seit 1945 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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